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Unbedenklich

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„Das Menschengeschlecht lebt durch seiner Hände Kunst und seine Vernunft” (Thomas von Aquin)

Dieser Grundsatz gilt wohl von der Erfindung des Rades bis zum modernen Kraftwerk. Ein Computer könnte sicher eine Veränderung des Verhältnisses der Anteile von „seiner Hände Kunst” zur „Vernunft” ausrechnen, aber ich sehe eine andere Veränderung im Laufe der Entwicklung für viel wesentlicher an.

• Die Arbeitsteilung, die Spezialisierung hat dazu geführt, daß die einen etwas schaffen und die anderen den Produktionsvorgang und die Funktionsweise des Geschaffenen nicht mehr durchschauen, nicht mehr verstehen. Lange Zeit herrschte großes Vertrauen; diese Zeit, beginnend etwa im 19. Jahrhundert, war beherrscht von der „Religion der Wissenschaft” (Teilhard de Chardin).

Nunmehr geht der Pendelausschlag in die entgegengesetzte Richtung und es gibt auch Stimmen, welche die Kernenergie als das negative Paradebeispiel für die Großtechnologie ansehen und damit als mit dem katholischen Welt-und Menschenbild für unvereinbar beurteilen.

Gibt es derzeit ein einheitlich katholisches Weltbild? Die Vielschichtigkeit soll an einem Beispiel aus der Dreifaltigkeits-Kirche in Wien-Mauer (besser bekannt als Wotruba-Kirche) und den dort vor kurzem gehörten Vortrag über charismatische Bewegungen dargelegt werden. Die Kirche ist aus Betonblökken mit modernen Maschinen errichtet worden, welche von „Technokraten” geschaffen wurden.

Die charismatische Bewegung ist sicher keine maschinenstürmende Gruppierung, sie verlangt aber ein radikales Umdenken mit entsprechenden Konsequenzen im Ablauf des täglichen Lebens.

Ein anderes, nicht auf Katholiken beschränktes Beispiel: In einem südlichen Vorort von Wien werden Märkte für biologische Lebensmittel abgehalten; der Markttag ist daran erkennbar, daß in der Umgebung selbst Halteverbotszonen bis auf den letzten Platz verparkt sind. Selbstverständlich viele Autos mit den bekannten Anti-Atom-Aufklebern.

Die de facto-Materialisten mit der manchmal militant ausgeprägten Aversion gegen Experten und Behörden merken offensichtlich nicht, daß sie sich de facto in ideologisch marxistischen Gedankengängen bewegen. In diesem Zusammenhang hat vor kurzem ein Franzose zum Vergleich geschrieben: die Franzosen wurden Cartesia-ner, ohne daß sie sich dessen bewußt waren.

Es steht außer Zweifel, daß die materialistische Lebensauffassung, der unbewußt von vielen gehuldigt wird, einer Wende bedarf. Evolutionen waren immer besser als Revolutionen, aber evolutionäre Entwicklungen brauchen Zeit, viel Zeit sogar.

Da verantwortungsbewußte Entscheidungsträger in der Elektrizitätswirtschaft dies wissen, treten sie für die Nutzung der schon verfügbaren Kernenergie ein. In der Elektrizitätswirtschaft müssen nämlich Entscheidungen auf Jahre im voraus getroffen werden. Sobald die negativen Auswirkungen einer nicht mehr gegebenen Versorgungssicherheit in der Praxis von der Bevölkerung bemerkt werden, ist es für eine Abhilfe durch die Errichtung neuer Kraftwerke bereits zu spät.

Dann wird man aber die in der E-Wirtschaft für Entscheidungen Zuständigen zur Verantwortung ziehen und nicht diejenigen, welche heute mehr oder weniger offen die E-Wirtschaft be-

, Jedes menschliche Tun ist eben mit einem Risiko verbunden. Das Risiko des Sprechens ist das Mißverständnis” schuldigen, sie „drohe” mit Abschaltung, um die Stimmung pro Zwentendorf zu beeinflussen.

Verantwortung ist aber auch im Sinne der katholischen Moral zu tragen. Drei Beispiele seien angeführt: Korff (Kernenergie und Moraltheologie, siehe Literaturhinweise) erläutert ausführlich das seit Thomas von Aquin in der katholischen Moraltheologie zur Beurteilung von „Handlungen mit Doppelwirkung” herangezogene Abwägungsprinzip.

Er führt dann zur Energiefrage aus: „Dies gilt auch im Hinblick auf den weiteren Tatbestand, daß wir zur Lösung dieses Problems (noch) über keine zureichende Energiequelle verfügen, deren Nutzung ohne negative Nebenwirkung bleibt.” In weiterer Folge setzt er Maßstäbe, unter denen Kernkraftwerke vertretbar sind.

Demgegenüber steht eine Publikation der KSÖ aus jüngster Zeit; unter dem Titel „Verantwortete Zukunft -mit oder ohne Atomenergie” werden emotionsgeladene Dinge verbreitet.

Der Heilige Vater führte bei seinem jüngsten Besuch in Paris unter dem Titel „Die Zukunft des Menschen ist radikal bedroht” u. a. aus: „Das ist der Fall bei genetischen Manipulationen, bei biologischen Experimenten und beim Vervollkommnen chemischer, bakteriologischer und nuklearer Waffen.” Keine Absage an Kernkraftwerke.

„Jedes menschliche Tun ist eben mit einem Risiko verbunden. Das Risiko des Sprechens ist das Mißverständnis” (Kardinal König). Das große Risiko dieses aus Platzgründen eingeschränkten Beitrages ist die Notwendigkeit, den Nachweis, daß auch in der E-Wirtschaft Personen tätig sind, welche ihren Beruf nicht nur nach dem Monatsgehalt wählen, sondern auch moralische Wertmaßstäbe an ihre Tätigkeit anlegen, nur stichwortartig führen zu können.

Mag. Staudinger ist Direktor der Gemeinschafls-kraftwerk Tullnerfeld Gesellschaft

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