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Kubismus aus dem fruchtbaren Prag

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Das Museum moderner Kunst in Passau, das vor etwas mehr als einem Jahr eröffnet wurde, hat sich auf Raritäten spezialisiert. Carry Hauser, Georg Philipp Worten, Otto Modersohn und Kurt Moldovan - heute beinahe vergessen - sind Beispiele dafür, ebenso wie Zeichnunjen von Wilhelm Lehmbruck und Ölgemälde von Margret Bilger. Nun hat man bis 17. NovemberGelegenheit, eine Ausstellung zu sehen, die noch nie, auch nicht in anderer Art, gezeigt wurde. Eine Facette der klassischen Moderne ist kennenzulernen, die bisher weitgehend unbekannt war: „Tschechischer Kubismus". Die 150 Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphiken und Plastiken stammen ausschließlich aus Privatbesitz, zum Großteil aus der Sammlung Milan Heidenreichs. Wenn Prag neben Paris zu Beginn des Jahrhunderts zu einem zweiten Zentrum des von Picasso und Braques „erfundenen" Kubismus wurde, ist das nicht als eine parallele, sondern höchstens autonome Entwicklung zu verstehen. Anregungen, die von Paris ausgingen, fielen in Prag auf besonders fruchtbaren Boden.

Der Protagonist des tschechischen Kubismus, Emil Filla (1882 bis 1953) hielt sich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wiederholt in Paris auf und hatte ständigen Kontakt mit Bra-que und Picasso. Schon die Themenwahl führte vor Augen, wie stark deren Einfluß war. Es sind in der Mehrzahl Stilleben, oft mit Gitarren, Mandolinen, Gläsern und Flaschen. Am Beispiel Fillas können die Phasen jener Entwicklung studiert werden, für die sich der Name Kubismus eingebürgert hat. Wie bei den Pariser Meistern geht die Entwicklung vom Frühkubismus, der die Erscheinungsform schon zertrümmert, aber noch erkennen läßt („Der Ringer", 1912), über den analytischen („Stilleben mit Glas" 1914) zum synthetischen Kubismus („Frau mit Korallenkette", 1915). Dort hält Filla an - ähnlich wie Braque, anders als Picasso -, bis auch er ab 1930 zu einer neuen, dem Surrealismus verwandten Gegenständlichkeit zurückkehrt. Dennoch wäre es verfehlt, in Filla einen bloßen Epigonen zu sehen. Die ausgestellten Bilder machen beides deutlich: die Strahlkraft, die von den Anregem ausging, wie die Fähigkeit eines Künstlers, sie anzunehmen und im eigenen Werk gültig zu verwirklichen.

„Emil Filla und Zeitgenossen" als Untertitel der Ausstellung will auch zeigen, daß jeder von ihnen, die alle mehr oder weniger vom Kubismus berührt wurden, einen individuellen Stil entwickelte. Bei Bohumil Kubista, der schon 1918 starb, läßt sich besonders an den Holzschnitten erkennen, daß er in eine eher expressive Richtung weitergegangen wäre. Antonin Prochäzka hatte am radikalsten alle Bezüge zum Gegenstand aufgegeben. Ihm näherte er sich schon in den frühen zwanziger Jahren wieder. In einem an Leger erinnernden Monumentalkubismus griff Frantisek Foltyn religiöse und gesellschaftskritische Themen auf. Vincenc Benes starb 1979 im Alter von 96 Jahre. Er ist mit Zeichnungen aus der Zeit vor 1920 vertreten. Von Otto Gutfreund, der zu den bedeutendsten kubistischen Bildhauern zählt, sind Bronzeplastiken und

Zeichnungen zu sehen. Nur am Rand werden kubistische Einflüsse bei Josef Capek, Vaclav Späla und Jaroslav Kral wirksam. Arbeiten von zwölf weiteren Künstlern runden eine Ausstellung ab, die unser Bild von der Frühzeit modemer Kunst um neue Nuancen ergänzt.

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