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Moscheen unter Feuer

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Afghanistans große Bedeutung als „Kreuzweg Asiens" zwischen den Hochkulturgebieten in Indien, Persien und Zentralasien kam immer, und gerade heute wieder, in der ungemein wechselreichen Geschichte des Landes zum Ausdruck. Leider hat jedoch dieser historische Ablauf den katastrophal schlechten Erhaltungszustand der Kunstdenkmäler zur Folge.

Eine Fülle von prächtigen Bauwerken aus der Zeit der drei großen „nationalen" Dynastien der Ghazneviden, Ghoriden und Timuriden hatte einst existiert. Die verheerenden Eroberungsstürme des 13. und 14. Jahrhunderts, die politischen Spannungen zwischen England und Rußland vor dem Ersten Weltkrieg und nun aufs neue die sowjetische Invasion mit dem anschließenden afghanischen Freiheitskampf haben den Bestand der Denkmäler auf eine Handvoll reduziert.

Das Fehlen eines starken Kulturzentrums auf afghanischem Boden beschleunigte außerdem in den letzten 400 Jahren den Verfall der Bauwerke. Und die meist wenig sachkundige Restaurierung unter dem letzten Königshaus trug das Ihrige zur Entwertung des tausendjährigen Kulturgutes bei, das jetzt im Hagel der Sowjetgranaten völlig unterzugehen droht.

Allein schon die Tatsache, daß als einzige Moschee des Landes nur die Freitagsmoschee in Herat erwähnens-und sehenswert war, war für die Lage vor 1979 kennzeichnend. Und seitdem hat gerade diese Masdsched al-Dschu-maa unter dem wiederholten Besitz- • Wechsel der nordwestafghanischen Metropole zwischen der Roten Armee und den iranfreundlichen Aufständischen vom Hizb-i Islam gelitten.

An großen architektonischen Grab-mälern haben sich insgesamt nur vier erhalten: Wieder hier in Herat sowie nordöstlich davon in Balch und dem alten islamischen Wallfahrtsort von Ma-zar-i Scharif.

Besser steht es mit den Minaretten, von denen bei Kriegsbeginn noch zehn vorhanden waren: Sechs allein in Herat, die meisten jetzt allerdings mit Einschlägen oder gar geköpft, nachdem sich auf ihren Rundbaikonen die Scharfschützen der Freiheitskämpfer eingenistet hatten; zwei in Ghazni, je eines bei Dscham im Tal des Har-i Rud, der nach Herat hinunterfließt, und bei Daulatabad unweit von Balch. Zwei Kuppelbauten finden sich nach wie vor unbeschädigt in Chodscha-Tschischt, wieder am Har-i Rud; ein monumentaler, einzelner Bogen erhebt sich in Qalae Bist.

Das ist an wirklich sehenswerten Bauwerken leider alles. Die weiten Ruinenfelder im Südwesten in Sistan sowie im Norden des Landes um Balch, vor dem Mongoleneinfall Heimat berühmter islamischer Theologen und Mystiker, waren in den sechziger und siebziger Jahren reiche Arbeitsplätze archäologischer Forschung. Heute suchen hier im Süden die Wüstenkämpfer von Zia Chan Nasri Zuflucht, während in den Ruinen von Balch die Rotarmisten biwakieren und sich als wahre Kulturvan-dalen betätigen.

Die 500 Jahre bis zur Eroberung He-rats durch die Usbeken 1507 hatten Afghanistan drei islamische Glanzepochen eingetragen, beherrscht von Türken und ihren Verwandten. Sie errichteten um die Jahrtausendwende die erste afghanische Hauptstadt Ghazni südwestlich von Kabul, heute eine Garnisonsstadt, in der sich die beiden afghanischen KP-Flügel von Chalk, d. h. Volk, und Partschami oder Standarte, auch unter der harten Hand der Russen weiter erbittert bekämpfen.

Unter dem großen Sultan Mahmud hingegen, der hier von 999 bis 1030 herrschte, sonnte sich dessen Hof an allen seinerzeitigen islamischen Berühmtheiten aus Wissenschaft und Kunst. Unter ihnen befand sich auch der persische Dichterfürst Firdausi, dessen Denkmal heute drüben in Teheran steht und dort sogar die bilderstürmerische Revolution der Ayatollahs überdauert hat.

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