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Nicht NATO, Russen, Araber

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Libyen hat Malta für die nächsten zehn Jahre eine Finanzhilfe von insgesamt 350 Millionen Dollar für den Fall angeboten, daß sich die Regierung in La Valetta dazu entschließt, die militärische Präsenz Großbritanniens und der NATO in ihrem Land definitiv zu beenden und auch keine militärischen Verträge mit dem Ostblock abzuschließen. Nähere An gaben über die geheimen Verhandlungen mit dem sozialdemokratischen maltesischen Ministerpräsidenten Dominic Mintoff, der sich schon zweimal in der libyschen Hauptstadt aufhielt, wollte der dafür verantwortliche Stellvertretende Ministerpräsident Dschallud nicht machen. Er wies jedoch darauf hin, daß die Abmachungen mit Mintoff, die dieser jedoch noch vor seinem Parlament wird rechtfertigen müssen, in dem er nur über eine hauchdünne Mehrheit verfügt, ein erstrangiger diplomatischer Erfolg für Libyen und eine Stärkung der weltpolitischen Neutralität des Mittelmeerraumes seien.

hoffnungslos veralteten Hafen- und Dockeinrichtungen beschäftigen Malteser. Der Londoner Sowjetbotschafter Smirnowski, dem Mintoft die Einrichtung einer Kremlbotschaft in La Valetta zugestanden haben soll, bot bereits die Benutzung dieser Einrichtungen durch sowjetische Handelsschiffe an. In Tripolis scheint man dem Malteser davon jedoch abgeraten zu haben, weil man fürchtet, Moskaus Handelsflotte werde nur den Vorreiter machen für die rote Mittelmeereskader. Die Trl- polltaner Nationalisten wünschen aber weder westliche noch östliche Kriegsschiffe in La Valetta.

Dieser Aspekt der maltesischlibyschen Verhandlungen brauchte im NATO-Hauptquartier keine Sorge auszulösen. Malta ist für die Verteidigung der NATO-Südflanke heute ohnehin ohne Belang, und man würde sich in Brüssel und London wohl nur deshalb Mintoffs Erpressungsversuchen beugen, um eine Übernahme des Inselstützpunktes durch die Sowjetunion zu verhüten. Das libysche Angebot wäre also nützlich auch für den Westen. Es würde dem NATO-Haushalt überflüssige politische Ausgaben ersparen, ohne jedoch die Gefahr eines Auftauchens der roten Eskader in La Valetta heraufzubeschwören. Das tripolitaner Geschäft hat aber, und das würde es zu einer nicht zu unterschätzenden Bedrohung der westlichen Mittelmeerpoltik machen, noch eine Kehrseite. Mintoff braucht Arbeitsplätze für die Dockarbeiter, und das scheint in den Hirnen der libyschen Militärjunta den abenteuerlichen Plan wachgerufen zu haben, man könne Malta als Marine- und Luftstützpunkt der Araberstaaten für die nächste Runde des Konfliktes mit Israel ausbauen.

Obwohl sich schwer feststellen läßt, ob es sich dabei um mehr als bloße Zweckgerüchte handelt, und obgleich man in Malta anerkennt, daß Ministerpräsident Mintoff mit seiner kompromißlosen Haltung gegenüber Großbritannien und der NATO und seinem Flirt mit Moskau für den Inselstaat in wenigen Monaten bereits mehr erreicht hat als sein konservativ-zurückhaltender Vorgänger, Sir Borg Oliver, in vielen Jahren, stoßen die Meldungen aus Tripolis in La Valetta auf einmütige Ablehnung. Die Malteser sind mit Gewißheit gegen jede militärische Präsenz der Sowjets, weil sie sich nach wie vor dem Westen zugehörig fühlen und nicht vergessen haben, daß sie noch vor wenigen Jahren den Anschluß an England der problematischen Unabhängigkeit vorgezogen hätten. Die Bevölkerungsmehrheit wünscht aber auch keineswegs, in arabische Abenteuer hineingezogen zu werden und ihre Insel zum Vergeltungsziel israelischer Kampfflugzeuge werden zu lassen. Dazu sind die Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg noch zu frisch.

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