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Wachstum: Ziel oder Ergebnis?

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Hinter der Energiediskussion steht die Frage, wie wir uns zum wirtschaftlichen Wachstum verhalten. Nicht, ob wir Wachstum wollen oder nicht, sondern, ob Wachstum, gleich welches, unser politisches Ziel sein kann.

Eine Energiepolitik, die einen stetig wachsenden Energiebedarf durch kapitalintensive großtechnische Anlagen decken will, schafft maximales Wachstum. Riesige Investitionen in neue Kraftwerke bedeuten Wachstum, mehr Energieverbrauch bedeutet Wachstum, Investitionen in der Wirtschaft, durch die Arbeitskraft durch Kapital und Energie ersetzt werden, bedeuten Wachstum, die Ausgaben für Transport, Sicherung, Umweltschutz, die dazu nötig werden, bedeuten Wachstum.

Nur: ob wir deshalb dann besser leben, ob unsere Lebensqualität dadurch besser wird, darüber streiten wir. Denn dies alles bedeutet auch Landschaftsverbrauch, Bindung von Kapital, Ver änderung der Arbeitswelt, mehr Kontrolle, mehr Abhängigkeit.

Sicher, auch eine andere Energiepolitik schlägt sich in Wachstumsraten nieder:- Wärmedämmung, Sonnenkollektoren, energiesparende Automotoren, das alles wird in der Statistik zu Wachstum. Nur: Wachstum ist hier nicht das Ziel, sondern die Folge einer energiepolitischen Entscheidung.

Ziel ist, mit möglichst wenig Energieeinsatz das zu bekommen, was wir brauchen: warme Stuben, Wasser zum Duschen, Strom für den Kühlschrank.

Noch einmal: In der Energiediskussion - und auch insofern hat sie Signalcharakter - geht es nicht um die Frage, ob wir Wachstum wollen oder nicht. Es geht darum, ob Wachstum des Bruttosozialprodukts unser Ziel ist, wobei wir nachträglich feststellen, was an besserer oder schlechterer Lebensqualität- dabei abfällt, oder ob eine gute, eine bessere Lebensqualität unser Ziel ist und wir nachträglich feststellen, was dabei in der Statistik an Wachstumsraten anfallt.

Noch zugespitzter: Es geht darum, ob wir noch bestimmen können, was da wachsen soll oder ob eine Form des Wachstums, die als unabänderlich und unausweichlich dargestellt wird, unser Leben und noch mehr das unserer Kinder bestimmt.

Wie unsere Gesellschaft aussieht, wenn unsere Kinder so alt sind wie wir jetzt, wird nicht zuletzt in der Energiepolitik entschieden. Und wir sollten unseren Kindern möglichst wenig Hypotheken und möglichst viel eigenen Entscheidungsspielraum hinterlassen.

So wird die Energiediskussion ein Signal für den Aufstand gegen die vorprogrammierte Zukunft. Gibt es nur die eine Zukunft, also keine Alternative zu der Zukunft, die große Konzerne zusammen mit eingespielten Bürokraten für uns vorbereitet haben? Oder setzt sich die Einsicht durch, daß es die Zukunft nicht gibt, die sich zwangsläufig aus irgendwelchen „Entwicklungen“ ergibt?

Theodor Leuenberger verlangte 1979 auf der ökumenischen Konferenz in Boston „die Relativierung eindimensionaler Politik, die heutige Strukturen unkritisch in die Zukunft verlängern will. Jede Zukunft hat immer auch eine Gegenzukunft in sich ...“

Dies gilt, wie mir scheint, noch mehr vom Politiker. Vor ihm liegen verschiedene Möglichkeiten von Zukunft, verschiedene Zukünfte, auf die er zugehen oder die er vermeiden will.

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