Abgebrochene Brücken

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Zahlreiche neue Gesetze, die eine große Treffsicherheit aufweisen sollen, treffen doch wieder nur die Armen und schon bisher Unterprivilegierten.

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Zahlreiche neue Gesetze, die eine große Treffsicherheit aufweisen sollen, treffen doch wieder nur die Armen und schon bisher Unterprivilegierten.

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Bei den "Studienbeiträgen" für Studenten wird unterschiedlich zur Kassa gebeten: Studierende aus der Türkei und aus elf osteuropäischen Ländern "sind vom Rektor vom Beitrag zu befreien". Studierende aus Österreich und anderen EU- und EWR-Staaten haben 5.000 Schilling pro Semester zu zahlen. Alle anderen ausländischen Studierenden, auch solche aus den ärmsten "Entwicklungsländern", müssen für jedes Semester im Vorhinein 10.000 Schilling entrichten.

Eine Gebührenbefreiung für Studierende aus "Entwicklungsländern", wie sie bisher im Hochschultaxen-Gesetz vorgesehen war, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Studenten aus Afrika, Asien und Lateinamerika sowie aus einigen ost/südosteuropäischen Ländern werden ab Wintersemester nächsten Jahres 10.000 Schilling pro Semester Studienbeitrag zahlen müssen. Dem Bildungsministerium wird lediglich die Möglichkeit eingeräumt, per Verordnung Ausnahmen von dieser generellen Zahlungspflicht zu verfügen. In dieser Verordnung soll festgelegt werden, für die Studierenden welcher "Entwicklungsländer" und Reformländer in Zentral- und Ost-Europas die Rückerstattung der Studienbeiträge erfolgen wird. Studierende dieser Länder können dann eine Rückerstattung von bereits gezahlten Gebühren beantragen. Allerdings ohne Rechtsanspruch.

Die Folgen für jene etwa 4.000 Studierenden aus "Entwicklungsländern" sind voraussehbar: Diejenigen, die nicht von reichen Eltern unterstützt werden, werden sich verzweifelt bemühen, von Betreuungsorganisationen und Banken das Geld auszuborgen. Sollten sie die eingezahlten Studienbeiträge nicht zurückbekommen, müssen sie entweder entgegen dem Gesetz eine Arbeit annehmen, was ihrem Studienerfolg kaum zuträglich sein dürfte. Oder sie müssen ihr Studium abbrechen und ohne abgeschlossene höhere Bildung ins Heimatland zurückkehren.

Freude der Banken Kluge Studenten werden versuchen, nach Deutschland auszuweichen, wo es keine Studiengebühren gibt, Arbeit neben dem Studium erlaubt ist und der zukünftige Wert von in Deutschland ausgebildeten ausländischen Partnern für den Wirtschaftsstandort Deutschland erkannt wird.

An den sinnlos zirkulierenden Studienbeiträgen werden nur die Banken Freude haben. Die Oberösterreichische Landesbank geht davon aus, dass die betroffenen Studenten jährlich rund eine Million Schilling an Zinsen zahlen müssten. Bei den Beamten dürfte sich die Freude in Grenzen halten, wenn sie binnen vier Wochen tausende Rückerstattungsansuchen bearbeiten müssen. Die Kosten dafür dürfen die Steuerzahler übernehmen. Die staatlichen Nettoeinnahmen werden die weitere Verschlechterung des österreichischen Rufes in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) nicht wettmachen. Während selbst Weltbank und Internationaler Währungsfonds begonnen haben, die Armutsbekämpfung auf ihre Fahnen zu schreiben, ist Österreichs EZA auf einem Tiefstand. Die Förderung von Studierenden aus "Entwicklungsländern" stellt aber einen wichtigen Beitrag der öffentlichen EZA dar. Hat die Österreichische Bischofskonferenz die Frau Außenminister zu früh für ihren Einsatz für die EZA gelobt? Konnte sich die Frau Minister selbst in einem vergleichsweise begrenzten aber nicht unbedeutenden Bereich der Außenpolitik nicht durchsetzen? Wieso maßt sich das Bildungsministerium die außenpolitisch relevante Entscheidung an, zwischen verschiedenen Ländern des Südens und des Ostens zu differenzieren?

Wenn sich das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur stolz "Zukunftsministerium" nennt, kann das angesichts einer so kurzsichtigen Politik nur wie Hohn klingen. Jedenfalls hat die gegenwärtige Bundesregierung mit der Einführung doppelter Studienbeiträge für Studierende aus "Entwicklungsländern" die Möglichkeit drastisch eingeschränkt, über das Studium dauerhafte Brücken zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung zu bauen.

Der Autor ist Leitungsmitglied der Kommission Iustitia et Pax und Vizepräsident der Katholischen Aktion Österreichs.

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