Sparen, aber nicht bei den Ärmsten

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Entwicklungshilfeorganisationen schlagen Alarm: Das budgetäre Stiefkind Entwicklungshilfe droht bei den aktuellen Budgetverhandlungen völlig zu verwaisen. Eine verantwortungslose Politik angesichts der dramatischen Auswirkungen der Finanzkrise auf die Entwicklungsländer.

Die größten Entwicklungshilfegeber in den Industrieländern sind Migranten. Mehr als 200 Milliarden US-Dollar und damit das Doppelte der von den Industrienationen getätigten öffentlichen Entwicklungshilfe wird jedes Jahr von Einwanderern in ihre alte Heimat überwiesen. Für viele Entwicklungsländer sind diese Überweisungen eine Haupteinkommensquelle. "Früher waren es möglichst viele Kinder, die ein Überleben sicherten, heute aber ist es der in den Westen migrierte Verwandte, welcher für das Einkommen ganzer Familien in den Senderländern verantwortlich ist", analysiert ein Schweizer Spezialist zum Thema "Remittances", wie diese Geldbriefe an Zuhause im Fachjargon genannt werden.

In den letzten Monaten ist diese private Entwicklungshilfe an Afrika stark zurückgegangen, beklagten nun afrikanische Staatschefs beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Aufgrund der Wirtschaftskrise befürchtet man in Afrika auch einen Rückgang an Touristen. Am schlimmsten wirkt sich die Krise aber jetzt schon auf die ausländischen Direktinvestitionen in Afrika aus.

Rückfall zu EZA-Schlusslichtern

Der Chefökonom der Weltbank, Justin Yifu Lin, sagte in Davos: "Afrika dürfte eine besonders schwierige Phase bevorstehen." Waren es im vergangenen Jahr noch 466 Milliarden Dollar, die an privatem Kapital in Schwellen- und Entwicklungsländer geflossen sind, so schätzt das Institute für International Finance die Direktinvestition im heurigen Jahr auf nur mehr 165 Milliarden Dollar. Damit könnte eine erfolgreiche Ära für den Kontinent zu Ende gehen, dessen 54 Volkswirtschaften im Durchschnitt der letzten Jahre mit mehr als fünf Prozent pro Jahr gewachsen sind.

Diesen globalen Rahmen muss man aufspannen und einige der vielen Minus sind aufzuzeigen, mit denen die afrikanischen und anderen Entwicklungsländer derzeit konfrontiert sind. Erst damit wird die Brisanz der Warnung der österreichischen Entwicklungshilfeorganisationen deutlich: "Ohne die Bereitstellung zusätzlicher Mittel wird die öffentliche Entwicklungshilfe 2009 dramatisch zurückfallen, und Österreich zu den europäischen Schlusslichtern abstürzen", heißt es in einer Aussendung der Arbeitsgemeinschaft "Globale Verantwortung", der Dachorganisation von 37 österreichischen Nichtregierungsorganisationen, die in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) tätig sind.

1,3 Milliarden Euro wurden 2007 für österreichische Entwicklungshilfe ausgegeben - 0,49 Prozent des Brutto-Nationaleinkommens (BNE). Rechnet man die Entschuldungen, die Flüchtlingsbetreuung im Inland, die Kosten für ausländische Studierende etc. weg, bleiben 0,2 Prozent des BNE für "wirkliche" Entwicklungshilfe vor Ort übrig. Aber auch da muss noch einmal zwischen multilateraler und bilateraler Hilfe unterschieden werden. Mit ersterer unterstützt Österreich die EZA-Budgets der EU und anderer internationaler Organisationen. Zweiteres ist die konkrete österreichische EZA in den Partnerländern.

Für deren Abwicklung ist die Austrian Development Agency (ADA) zuständig. Deren Budget dümpelt bei sieben, acht Prozent des gesamten EZA-Kuchens herum. Das heißt, letztlich stehen nur knapp 100 Millionen Euro für österreichische EZA-Projekte in Entwicklungsländern zur Verfügung - ein Armutszeugnis. Bis 2010 hat sich Österreich zur Erreichung von 0,51 Prozent des BNE für EZA-Ausgaben verpflichtet. In Geld umgerechnet heißt das, Österreich müsste bis zu 800 Millionen Euro "frisches Geld" in sein EZA-Budget einzahlen.

Angesichts der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte ein frommer Wunsch. Insofern ist es passend, dass der in der Bischofskonferenz für EZA zuständige Linzer Bischof Ludwig Schwarz anlässlich der aktuellen Budgetverhandlungen einen Offenen Brief an Finanzminister Josef Pröll geschrieben hat, "mit dem dringenden Anliegen an Sie, die Armen in anderen Teilen der Welt nicht zu vergessen". Schwarz begrüßt die Absichtserklärung im Regierungsprogramm, sich an die 0,51 Prozent-Verpflichtung halten zu wollen, weist jedoch darauf hin, "dass dies schon seit Jahren versprochen, aber bislang nicht umgesetzt wurde". Und sogar unterstrichen schreibt der Bischof weiter: "Wir erwarten daher eine ausreichende Vorsorge im Budget, die diesen Zielen Rechnung trägt."

Dem Ziel 0,51 Prozent in diesem Jahr näher zu kommen, ist ein utopischer Wunsch. Ein Großteil der Entschuldungen, beispielsweise für den Irak, läuft aus. Bislang hat dieser Bereich mehr als die Hälfte des EZA-Budgets ausgemacht - und dieses kräftig aufgefettet, ohne dass jemals Geld in die Hand genommen werden musste. Ohne diese Entschuldungen ist sogar mit einem deutlichen Rückgang der EZA-Kennzahl in diesem Jahr zu rechnen. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Gelder für österreichische EZA-Projekte in Entwicklungsländern weniger werden, sagt Anton Mair, der stellvertretende Leiter der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) im Außenministerium gegenüber der FURCHE. Im Gegenteil: Mehr frisches Geld für die multi- und bilaterale EZA und damit mehr Geld für die ADA zu fordern, ist laut Mair die Stoßrichtung des Außenministers bei den anstehenden Budgetverhandlungen. Und Mair ist "eigentlich recht zuversichtlich", dass der Finanzminister den Außenminister mit diesem Anliegen nicht abblitzen lässt.

Weniger optimistisch ist Petra Bayr, SPÖ-Nationalratsabgeordnete und entwicklungspolitische Sprecherin ihrer Partei. So wie die "AG Globale Verantwortung" sieht auch sie die Gefahr eines Absturzes des EZA-Budgets und ist deswegen gerade dabei, "alles Mögliche zu unternehmen, damit das nicht passiert". Was sie konkret macht, wollte sie nicht sagen. Vielleicht interveniert sie ja bei ihrem Parteikollegen Finanz-Staatssekretär Andreas Schieder.

Verbündete im Finanzministerium

ÖVP-Entwicklungssprecher Franz Glaser jedenfalls glaubt mit dem zweiten Finanz-Staatssekretär Reinhard Lopatka einen "Verbündeten" für das EZA-Lobbying im Finanzministerium sitzen zu haben, da dieser "ja aus der Szene kommt und man mit ihm sicher leichter über dieses Thema reden kann". Glaser stellt sich auf sehr harte Verhandlungen ein. Die schwierige Aufgabe für Finanzminister Pröll wird sein, sagt Glaser, "letztlich alle gleich unzufrieden zu machen". Die 0,51 Prozent hält er für "kaum erreichbar", die 100 Millionen für die ADA jedoch hofft er halten, eventuell sogar noch steigern zu können. Dieser Bereich ist für Glaser auch der wichtigste, "da hier das Geld in konkrete österreichische Projekte fließt".

Für Hilde Wipfel ist ebenfalls eine Erhöhung des ADA-Budgets das Kernanliegen bei diesen Budgetverhandlungen: "Das ist, womit Österreich in den Entwicklungsländern sichtbar wird; das sehen auch unsere Leute da; das ist, womit Österreich seinen entwicklungspolitischen Stempel aufdrücken kann", sagt die Fachreferentin bei der Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission. In fast allen Partnerländern ist Österreich nicht unter den ersten zehn Gebern, klagt Wipfel. Und selbst in den Schwerpunktländern gehört Österreich zu den Mini-Gebern. Und die Gefahr ist derzeit groß, ein Mikro-Geber zu werden.

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