Eine Frage des Anstands

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Vorbemerkung eins: In Zeiten, wo sich die öffentlichen Haushalte vorn und hinten nicht ausgehen, ist klar, dass auch mehr als berechtigte Anliegen unter die Kuratel des Sparstiftes kommen. Dass etwa der Reformstau im Bildungsbereich (der ja keineswegs ausschließlich finanziell determiniert ist) sich ob der Budgetvorgaben vollends ins Katastrophische wendet, stimmt. Oder: Dass die Kürzungen der Presseförderung kleinen Printmedien den Garaus machen, ist gleichfalls alles andere als in Ordnung (vgl. Seite 3ff dieser FURCHE).

Vorbemerkung zwei: Man muss sehr sparsam damit umgehen, Politik mit moralischen Maßstäben zu bewerten. Es sollte viel nüchterner zugehen, als mit erregten Zeigefingern Politik zu machen. Natürlich hat es Ziele zu geben, und bei der Formulierung dieser spielen ethische Fragen eine wichtige Rolle. Aber zuvorderst erwartet der Bürger von der Politik, eine Road Map zu formulieren, die Bewegung in Richtung genannter Ziele unter den je aktuellen Rahmenbedingungen gewährleistet. Das klingt bescheiden, aber mehr sollte man nicht verlangen: "Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen: Politik ist nicht die Kunst des Möglichen, sondern des Unmöglichen.“ Das Diktum von Václav Havel, weiland Präsident der Tschechischen Republik und ein Moralist von Gnaden, illustriert dies gut.

Ein Aufschrei gegen diesen Budgetentwurf

Man kann sich an beide hier formulierten Prämissen halten, aber dennoch aufschreien: Dass in dem von Finanzminister Michael Spindelegger vorgelegten Budgetentwurf für 2014 und 2015 die staatliche Entwicklungshilfe drastisch gekürzt wird, ist nicht hinnehmbar. 20 Prozent der Mittel für konkrete Projekte sollen eingespart werden, und die Katastrohenhilfe ist mit fünf Millionen Euro pro Jahr auf einem erbärmlichen Stand. Noch im Regierungsprogramm war von einer stufenweisen Anhebung der beschämenden 0,35 Prozent des Bruttonationaleinkommens auf jene 0,7 Prozent, zu denen sich Österreich längst verpflichtet hat, die Rede. Doch diese Road Map war das Papier nicht wert, auf dem sie vor wenigen Monaten gedruckt wurde.

Es gibt also auch politische Verpflichtungen des Staates, sich an der Hilfe für die Ärmsten mit einem Minimum an Solidarität zu beteiligen. Angesichts der Tatsache, dass die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) sowieso schon auf dem Tiefststand sind, kann der vorliegende Budgetentwurf nur als Verhöhnung aller verstanden werden, die sich bislang in diesem Bereich engagiert haben.

Die missachteten Pflichten der Reichen

Es gibt genug politische Argumente, die für eine Ausweitung der EZA-Mittel sprechen - dass etwa durch Hilfe in der Heimat potenzieller Migranten europäische Probleme von heute an der Wurzel angepackt werden könnten bis zur Friedenssicherung, zu der die EZA auch beiträgt.

Aber wo, wenn nicht hier, muss dann doch die Moral ins Spiel kommen: Immer noch ist Österreich eines der reichsten Länder. Das ändert sich auch durch die Probleme der öffentlichen Haushalte nicht: Diese Gesellschaft hat eine moralische Pflicht, sich für die Ärmsten zu engagieren.

Es ist kein Zufall, dass der Aufschrei gegen das erbärmliche EZA-Budget zuvorderst von Kirchen und kirchlichen Organisationen kommt. Die katholische Bischofskonferenz, um ein Beispiel anzuführen, wiederholt bei jeder Zusammenkunft wie das Amen im Gebet einen eindringlichen Appell zu mehr Hilfe. Und die Päpste, der gegenwärtige zumal, werden seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht müde, das Engagement des Nordens für den Süden zu fordern. Der Finanzminister, der die Kürzungen verkündet hat, ist bekanntlich ein praktizierender Katholik.

Abgesehen von allen politischen Randbedingungen ist es eine Frage des Anstands, im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit erkennbar aktiv zu sein. Zurzeit erweist sich Österreich, man muss es so drastisch sagen, als völlig unanständig.

otto.friedrich@furche.at

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