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Im Zweifelsfall nach links?

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Der christlichdemokratische Parteikongreß ist für Ende Jänner angesetzt, was aber nicht notwendigerweise bedeutet, daß die Regierung bis dahin sicher ist. Die Republikaner, ein winziges Häuflein in der Gesamtwählerschaft und im Parlament, könnten ihre Schlüsselstellung ausnützen wollen und schon vor dem Kongreß ausbreohen, um dadurch die ChristlichdemoVratie vor die Entscheidung zu stellen. In ihrem Dilemma würde sie, so glauben die Republikaner, nur drei Wege vor sich haben: Staatsstreich und Bürgerkrieg, Bündnis mit Monarchisten und Neofaschisten, Bündnis mit den demokratischen Linksparteien. Sie zweifeln nicht, daß die DC in ihrer Zwangslage das Bündnis mit den Linken wählen würde. Zu normalen Zeiten gäbe es noch die vierte Lösung, die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen, aber in dem angebrochenen „weißen Semester” ist sie, wie gesagt, unmöglich, das Sicherheitsventil ist fest verschraubt. Die Verfassung, die es so gut mit dem Parlament meinen wollte, hat Italien an der Wende 1961 62 in eine politische Falle gelockt. Darum hat der liberale Parteiführer Giovanni Malagodi für die Zukunft eine Abänderung der Verfassung vorgeschlagen: der Staatspräsident behält auch im „weißen Halbjahr” das Recht zur Auflösung des Parlaments, doch darf er nicht zweimal hintereinander gewählt werden. Die Amtsperiode von sieben Jahren erscheint ohnedies lang genug.

Die Besorgnisse und die Unruhe in der italienischen Innenpolitik würden wahrscheinlich viel geringer sein, wenn artigen Initiativen des Staatsoberhauptes eben keinen Spielraum läßt; daß der mit den Linksstimmen gewählte Gronchi im weiteren Verlauf Sympathien für die autoritäre Rechte zu zeigen begann, indem er der Christlichdemokratischen Partei und dem Lande die von Neofaschisten unter

29. Jänner stattfinden wird, werden von den einzelnen Gruppen und Richtungen bereits die Waffen geschärft. Parteisekretär Moro, der Lenker und Walter aller Parteidinge, verantwortlich für die Einheit und Einigkeit, müht sich darum, schon vor dem Kongreß eine möglichst umfassende Liste zusammenzubringen, aber Fanfani hat ihm die kalte Schulter gezeigt. Von innerparteilichen Pakten kann erst nach dem Kongreß die Rede sein. In seiner Zeitschrift „Nuove Cronache” warnt er seine Anhänger in den Provinzen vor Manövern um der Macht willen, aber auch vor „Gefühlsduselei”, worunter er zweifellos die für Moro bestehenden Sympathien meint. Fanfani hat seine alte Verve wiedergefunden, er ist wieder der Trommler für die neue Zeit, der Mann, zu dem die Masse der christlichdemokratischen Jugend als ihre Hoffnung aufblickt. „Wir erlauben nicht, daß sich welche als Garanten der Freiheit anderer ausgeben”, rief er kürzlich in Caserta in die Menge, „die doch nur an die eigenen Privilegien denken; daß als

Künder des gerechten Neuen die auf- treten, welche bloß die letzte Seite des letzten alten Schmökers repetieren; daß als Anhänger der Einheit die gelten, die alles tun, um jenen den Weg zu versperren, die mehr oder weniger bewußt tatsächlich darnach streben, sich mit den wirklich Gerechtigkeitsund Freiheitsliebenden zu vereinen”. Und noch weiter: „Wir müssen Sorge tragen, mit unseren persönlichen Ansprüchen und Vorurteilen nicht Hindernisse für jene Kräfte zu sein, die darnach streben, mit uns zusammen in Freiheit und Frieden zum Fortschritt der Welt beizutragen. Seien wir bescheiden, seien wir kein Hindernis für den Fortschritt. Mit Mut, gepaart mit kluger Vorsicht, helfen wir den Kräften, die vorwärtsstreben, dürstend nach sozialer Gerechtigkeit und von dem Wunsch beseelt, sie mit den Methoden der Freiheit zu erobern.”

Eine solche Sprache ist geeignet, ihm fanatische Anhänger und unversöhnliche Gegner zu verschaffen. Die Rede hat die Proteste der Liberalen ausgelöst, den demokratischen Linken aber hat sie gefallen, denn sie zeigte ihnen, daß es Fanfani zumindest nicht an dem Mut fehlen würde, das Experiment der „Öffnung nach links” zu unternehmen. Ob der Kongreß den gleichen Mut zeigt, wird sich freilich erst erweisen. Nichts deutet darauf hin, daß die Bereitschaft zu dem Bündnis mit den Nenni-Sozialisten heute größer ist als in der Vergangenheit.

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