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Ressentiments gegen die Parteien

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Setzen wir uns zunächst mit der sehr weit verbreiteten Ansicht auseinander, derzufolge die politischen Parteien aus der Personalpolitik der öffentlichen Bediensteten völlig ausgeschaltet werden sollten. Zum Sprecher für jene, die diese Ansicht teilen, machte sich vor kurzem ein hoher Offizier, der erklärte: „Wir Offiziere des Bundesheeres der Zweiten Republik brauchen keinen Wehrbund, Militärverband oder Soldatenbund.“ Die hier erwähnten Namen dienten einst zur Bezeichnung der parteipolitisch ausgerichteten Soldatenorganisationen der Ersten Republik. Bei allem Respekt vor der ehrlichen Empörung über die parteipolitischen Manöver innerhalb des Heeres, kann man guten Gewissens doch nicht umhin, aus dem zitierten Ausspruch einen Rast jener parteifeindlichen Einstellung herauszuhören, wie sie vor 1938 nicht nur auf dem personalpolitischen Sektor, sondern in der politischen Diskussion überhaupt weit verbreitet war. Die Entwicklung von der Verfemung über die Duldung bis zur Anerkennung der Partei als eine politisch nicht nur nützliche, sondern notwendige Institution ging in Österreich langsamer vor sich als in Westeuropa. Daher hielten und halten sich versprengte Ressentiments gegen die Parteien hier auch länger als anderswo. Die grundsätzliche Abneigung gegen jede parteipolitisch ausgerichtete Organisation der öffentlichen Bediensteten stellt ohne Zweifel ein derartiges Ressentiment dar.

Sind „politikfreie Inseln“ möglich?

Es wäre eine mit den staatsbürgerlichen Grundrechten unvereinbare Einschränkung der politischen Frei- heitsrechte, würde man dem Beamten das Recht absprechen, sich zur Währung seiner Interessen oder zur Vertretung seines politischen Standpunktes, unter welchen weltanschaulichen, ideologischen oder parteipolitischen Vorzeichen auch immer, zu koalieren. Durch irgendeine Verbotsklausel einen Damm gegen die Verpolitisierung des öffentlichen Dienstes aufzurichten ist daher völlig absurd und in unserem Staat unrealisierbar. Neben die rechtliche Unmöglichkeit tritt die praktische: Es ist glatter Nonsens, zu erwarten, daß sich innerhalb der öffentlichen Dienststellen parteipolitisch freie Inseln schaffen ließen. Die Politik wüßte sich unbeschadet aller Schranken aiuf mannigfaltigste Weis Zutritt zu verschaffen.

An dieser Stelle könnte man allerdings einwenden, das Bundesheeo sei ein derart heikler Zweig des öffentlichen Dienstes, daß hier gewisse Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt wären. Audi darauf gib1 es nur ein Nein als Antwort. Fängt man nämlich mit derartiger Ausnahmen erst an, kann man sich ihrer nicht mehr erwehren. Mar müßte dann konsequenterweis kleine Ausnahmen für alle Beamten größere für die an verantwortungsvoller Position Tätigen und gan: große für die mit besonders heikler Aufgaben Betrauten einführen. Da würde dazu führen, daß der Beamte, der die größte Verantworten! trüge, die am meisten beschnittener politischen Rechte hätte. Allein daraus geht der Widersinn einer solchen parteipolitischen Sterilisdemunj des öffentlichen Dienstes hervor Parteien werden und müssen sein auch auf dem Gebiete der Personal Vertretung der Staatsdiener. Aud hier haben sie eine demokratisd legitime Funktion auszuüben. Da ordnungsgemäße Funktioniere: einer Personalvertretung ist be einer Ausschaltung der Parteien nicht gewährleistet.

Man könnte nun einwenden, es müsse in einem Bereich, in dem fast jeder jeden kenne, auch ohne Mitwirkung von Parteien gelingen, zu einer Personalvertretung zu kommen. So werden vor allem die sprechen, die mit dem Parteieneinfluß nicht auch gleich die Beamtenvertretung als solche mit einem Wurf über Bord befördern wollen. Zu diesem Einwand ist zu sagen: Man könnte gewiß ein stufenförmiges Wahlverfahren einführen, wie es für die Wahlen in die Ständevertretungen während der Zeit von 1934 bis 1938 vorgesehen war. Bei einer solchen Vorgangsweise käme man ganz ohne Parteien aus. Das Fatale dabei wäre nur, daß solcherart auch das demokratische Mitbestimmungsrecht jedes einzelnen Wählers auf das äußerste zurückgeschnitten würde. Jeder könnte nur noch über die Person seines unmittelbaren Vertreters auf der nächsthöheren Stufe entscheiden, in keiner Weise aber über das sachliche Programm der aus diesem Wahlverfahren resultierenden Personalvertretung.

Es bliebe aber immer noch die Möglichkeit, bei Personalvertretungswahlen ausschließlich parteiungebundene Listen zuzulassen. Ganz abgesehen davon, daß der Begriff „parteiungebunden“ dehnbar ist und auf die mannigfaltigste Weise umgangen werden könnte, gilt es auch, auf den theoretischen Fall Rücksicht zu nehmen, daß sich in einer Dienststelle kein „unpolitischer“ oder „überparteilicher" Kandidat findet. In diesem Fall gäbe es bei einer Ausschaltung der Parteien auch keine Personalver- treteng. Wir sehen also, daß Parteien auch im personalpolitischen Bereich für die politische Willens- bildung unentbehrlich sind.

Heißt das nun, daß das Ausmaß, in dem in Österreich die Personal- - politik im öffentlichen Dienst mit der Parteipolitik verquickt ist, in Ordnung geht und kein Grund zu irgendeiner Aufregung besteht? Keineswegs. Die Verpolitisierung der Beamtenschaft ist gewiß be- : sorgniserregend, der Druck, der von den Parteien auf die Staatsdiener ausgeübt wird, damit diese ein parteipolitisches Engagement ein- gehen, wird vielleicht einmal als der „Skandal der Zweiten Republik“ apostrophiert werden. Nur können diese Übel nicht mit den vorhin geschilderten weltfremden Methoden kuriert werden. Das einzige Heilmittel gegen den Übermut der Parteien im öffentlichen Dienst heißt „Zivilcourage“. Nur dort, wo sich beherzte Männer und Frauen finden, die den von den Parteien aufgestellten Listen für Personalvertretungs- 1 wählen parteiunabhängige Listen entgegenstellen, läßt sich eine Schlacht gegen das Überhandneh- men des Parteieneinflusses im öffentlichen Leben gewinnen. Solche Siege sind aber selbstredend auch von der Schaffung eines einwandfreien Personalvertretungsrechtes abhängig.

Bei den bisherigen rechtlichen Behelfen, mittels derer wie beispielsweise im niederösterreichi- , sehen Landesdienst gewählt wurde,

waren den parteigebundenen Listei meist weit bessere Start- und Erfolgschancen eingeräumt als dei unabhängigen Listen. Nach der ursprünglichen Fassung der nieder österreichischen Personalvertre tungsardnung durften etwa partei ungebundene Listen in Dienststelle! mit 400 Bediensteten nur kandidie ren, wenn sie 250 Unterschriftei beibringen konnten, während par teigebundene Listen von den Zwang, Unterschriften vorweisen zi müssen, überhaupt befreit waren.

Es wird daher sehr darauf zi achten sein, daß sich die Parteiei nicht durch bessere Wettbewerbs bedingungen auf kaltem Wege eil Monopol verschaffen. Hier liegt aud die Wurzel des Unbehagens, da sich gegen Minister Dr. Prade richtet. Dieser hatte den erwähnte Personalvertretungserlaß entschei dend inspiriert und sich mit seinei personalpolitischen Praktiken al ein Vertreter jener extremen An sicht erwiesen, derzufolge partei ungebundene Personalvertreter blo

„G’schaftlhuber“ und „Flaschen“ sind und „abgeschossen“ gehören. Beide Einstellungen, die parteifeindliche genauso wie die parteimonopolitische, stellen Fehlhaltungen dar.

In der Praxis wird es wahrscheinlich zuwenig sein, den parteiungebundenen Listen auf dem Papier gleiche Startbedingungen wie den parteihörigen einzuräumen. Die Wirklichkeit, spricht der Rückhalt der partei- gebundenen Liste bei ihrer Partei, wird sehr schnell zu einer Differenzierung der Ausgangskonditionen führen. Es wäre daher vorteilhaft, hätten die parteiunabhängigen Listen ebenso irgendwo einen Rückhalt, am besten bei einer Art Interessengemeinschaft aller parteiunabhängigen Personalvertreter im öffentlichen Dienst. Diese könnte es couragierten Leuten durch eine ideelle, aber auch durch eine finanzielle Starthilfe ersparen, sich an der Front der parteipolitisch Gebundenen erfolglos die Zähne auszubeißen. Nur müßte diese Interessengemeinschaft wirklich parteiunabhängig sein und vor den Emissären jener politischen Kraft, die sich gerne als „überparteilich“ gibt, um ihre parteipolitische Bedeutungslosigkeit zu bemänteln, auf der Hut sein.

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