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Zerbrochene Illusionen

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Zu Begann dieses Monats erlebte die dänische Hauptstadt Demonstrationen, die von vielen Beobachtern als die größten und heftigsten seil Kriegsende bezeichnet wurden. Aul einem miitgeführten Galgen baumelten zwei Puppen, die jedoch diesmal nicht L. B. Johnson oder Chruschtschow darstellen sollten, zwei Politiker, denen man bei früherer Demonstrationen gleiche „Aufmerksamkeiten“ erwiesen hatte, sondern den Chef der Regierung Jens Ottc Krag und den Linkssozialistenführei Axel Larsen. Beiden Parteiführern war ähnliches niemals vorher widerfahren. Man braucht die politische Bedeutung von Demonstrationen dieser Art nicht zu überschätzen — es ist ja immer nur eine radikale Minderheit, die demonstriert! — aber sie zeigen doch, auf welche schiefe Bahn sozialistische Parteien geraten können. An den Demonstrationen, die sich gegen die Einführung der Mehrwertsteuer richteten nahmen zwischen 15.000 und 20.000 Personen teil, die zum großen Teil aus Händlerkreisen stammten, abei zweifellos auch bei den Arbeiten große Sympathien fanden.

Ein Drittel Anhänger verloren

Erst im Herbst vorigen Jahres erlebte die „Sozialistische Volkspartei' Axel Larsens ihren größten Wahlsieg und konnte ihre Mandatszah! im Folketinget von 10 auf 20 Mandate erhöhen. Obwohl die Sozialdemokratie Stimmen und Mandat« verlor, erhielt Dänemark durch der linkssozialistischen Sieg zum erstenmal eine Linksmehrheit. Axel Larsen kam auch diesmal nicht in die Regierung, doch es kam zu einem Zusammenarbeitsabkommen zwischen den beiden Linksparteien, das es der Minderheitsregierung Kraf ermöglichte, die Mehrwertsteuer einzuführen. Die Folge davon ist eine sofortige zehnprozentige Erhöhung fast aller Lebensmittelpreise und der Tarife für Dienstleistungen, Post und Eisenbahn. Axel Larsen scheint dafür nicht mehr als einige vage Versprechungen außenpolitischer Art eingehandelt zu haben, Versprechungen, die allem Anschein nach Krag gar nicht zu halten gedenkt.

“ Die Reaktion unter der Anhängerschaft der Linken konnte nicht ausbleiben: Nach den letzten Mednungs-untersuchungen hat die „Sozialistische Volkspartei“ seit Herbst etwa ein Drittel ihrer Anhänger verloren; käme es jetzt zu einer Wahl, so würde die Partei wahrscheinlich acht von ihren erst gewonnenen zehn Mandaten wieder verlieren. Auf dem Kongreß der Partei wurde Larsen zwar wieder zum Vorsitzenden gewählt, doch zeitweise waren fünf andere Kandidaten zur Diskussion gestellt worden und die Wiederwahl Larsens erfolgte nur mit 99 von 156 möglichen Stimmen. Die bisherigen engsteh Freunde des Parteiführers aber verschwanden in der Versenkung. In der konsequenten Opposition war die SF groß geworden, doch schon die Tuchfühlung mit der Sozialdemokratie bringt ihr schwere Rückschläge.

Neue Männer

Und dabei beginnen sich für die Anhänger der SF am politischen Horizont bereits noch größere Enttäuschungen abzuzeichnen. In Kopenhagen neigt man immer mehr der Auffassung zu, daß Jens Otto Krag die Leitung des Außenministeriums schon in absehbarer Zeit abgeben wird. Im Gespräch ist der Minister ohne Portefeuille im Kabinett Krag, Hans SölVhöj, der bereits eitrige der Aufgaben des Außenamtes übernommen hat. Zum Amtsbereich Sölvhöjs würde dann das Verhältnis zur NATO, zum Europarat und zu den Vereinten Nationen gehören. Sölvhöj wird allgemein dem rechten Flügel der Arbeiterpartei zugerechnet, der auch weiterhin für die Mitgliedschaft Dänemarks in der NATO eintritt. Auch der bisherige Handelsminister Dahlgaard soll einen Teil der außenpolitischen Agenden übernehmen. Damit wäre gesichert, daß die wichtigsten außenpolitischen Entscheidungen der nächsten Jahre, das Verhältnis zur NATO und zur EWG, in einem Sinne fallen, der den Wünschen der Dinkssozialisten diametral entgegengesetzt ist! Krag aber könnte darauf verweisen, daß diese Entscheidungen nun von anderen Fachministern — und sicher mit Unterstützung einer oder mehrerer bürgerlichen Gruppen! — erfolgen.

Dänemarks Linke steht ganz einfach vor der bitteren Erkenntnis, daß die Bildung einer Lioksfront, bestehend aus Volkssozialisten und Sozialdemokraten, zu einer sozialistischen Politik im Innern und nach außen heute nicht mehr möglich ist.

Die führenden Leute in der Sozialistischen Volkspartei erkennen natürlich die Gefahr, die auf sie zukommt. Sie haben Axel Larsen noch einmal eine Gnadenfrist gegeben, im übrigen aber einige seiner schärfsten Kritiker in führende Positionen gebracht. Als möglicher Nachfolger Larsens gewinnt bereits Bürgermeister Willy Brauer an Bedeutung und Popularität. Auch die Abgeordneten Morten Lange und Hanne Reintoft rücken in die erste Reihe.

Sorgen des Nachbarn

Auch in Schweden sind die Pläne auf Bildung einer Linksfront fürs erste gescheitert. Der neugebildete „Sozialistische Verband“ wurde erst von.der Sozialdemokratischen Partei und dann auch vom Sozialistischen Jugendverband als Splitterorganisation und als parteifeindlich bezeichnet. Einige der führenden Sozialdemokraten des Verbandes wurden aus ihren Vertrauensstellungen in der Sozialdemokratischen Partei entfernt. Es gibt noch Ortsverbände, die sich weigern, den Weisungen des Parteivorstandes nach Ausschluß der linken Rebellen nachzukommen, doch das sind Organisationen in entfernten Landgebieten, um deren Tun und Lassen sich in Stockholm kaum jemand kümmert. Fest steht, daß das Ziel des „Sozialistischen Verbandes“, die Bildung einer gemeinsamen Front beider Arbeiterparteien bei der nächsten Parlamentswahl, nicht erreicht werden wird. Die KP wird also vermutlich auch in solchen Kreisen kandidieren, wo sie kein Mandat erobern, die Sozialdemokratie aber sehr wohl eines verlieren kann, sofern sie auf die kommunistischen Stimmen verzichtet. Weitere Mandatsverluste für die SAP sind also durchaus denkbar. Die Sozialdemokraten haben nun in der Zweiten Kammer 113 Mandate, die drei bürgerlichen Parteien zusammen 111, die acht Kommunisten bilden bereits heute das Zünglein an der Waage. Es bedarf keiner großen Verschiebungen, um eine bürgerliche Mehrheit in der Zweiten Kammer zustande zu bringen. Nach dem Ergebnis der letzten Gemeindewahlen zu urteilen, würden die Sozialdemokraten sieben bis acht Mandate verlieren, wenn sie ihre Position bis September des nächsten Jahres nicht wesentlich verbessern.

Nach der Niederlage der norwegischen Arbeiterpartei folgte der schwere Mandatsverlust der dänischen Sozialdemokratie. Nach einer kurzen Periode der Zusammenarbeit muß die dortige Linke bereits ihre Musäonen auf Durchführung einer sozialistischen Politik begraben. Nach der dänischen Enttäuschung kam der Mißerfolg der schwedischen Linken mit ihrem „Sozialistischen Verband“. Gleichzeitig müssen es die Kommunisten erleben, wie ihr linker Flügel — gegen eine Orientierung nach rechts protestierend — eine neue Linkspartei maoistischer Prägung gründet. Überall ein Bild der Zersplitterung, deren Konturen durch die Meinungsverschiedenheiten über die großen außenpolitischen Probleme, den Vietnamkrieg und die Nahostkrise, noch verschärft werden.

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