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Brigitte Voykowitsch berichtet aus der indisch- pakistanischen Grenzregion.

Am Grenzübergang Wagah zwischen Pakistan und Indien ist nicht mehr viel Verkehr. Im Schnitt sechs Menschen am Tag. "Nur Diplomaten, Geschäftsleute und Touristen kommen, und alle sind Ausländer" - also weder Inder noch Pakistanis - erklärt der Grenzbeamte, der deswegen reichlich Zeit hat für Plaudereien bei Tee und Zigaretten. Der arme Mann braucht etwas Ansprache. Der Zug mit dem Namen "Verständigung" und der Busdienst, der "Freundschaft" heißt, haben den Betrieb vorübergehend eingestellt. Mit dieser symptomatischen Szene beginnt Brigitte Voykowitsch, ehemalige Auslands-Redakteurin des "Standard", ihren zweiten Reportageband über den indischen Subkontinent. Im Frühjahr 2002 reist sie von Pakistan nach Nordindien und beobachtet das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Hindus und Moslems. Während ihrer Reise wird die Brisanz dieses Themas deutlich: Im März und April 2002 sterben bei Ausschreitungen zwischen Hindus und Moslems im indischen Bundesstaat Gujarat rund 900 Menschen.

Belastetes Verhältnis

Woher rührt der Hass zwischen den beiden großen Religionen auf dem Subkontinent? Hindus und Moslems haben doch über Jahrhunderte zusammen gelebt und bis heute gibt es viele familiäre Verbindungen von Pakistanis und Indern. Aber es gibt eben auch viele Traumata: Die Teilung in zwei Länder 1949 mit Flucht und Vertreibung vieler Familien, die Teilung Kaschmirs, die Vertreibung von Hindus aus dem indischen Kaschmir Ende der achtziger Jahre und die Tragödie um die Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya, deren Zerstörung durch Hindufanatiker 1992 bürgerkriegsähnliche Zustände auslöste. Bis heute belastet die Forderung, an Stelle der Moschee einen Ram-Tempel zu bauen, das Verhältnis der Religionen in Indien. So wurden die Massaker in Gujarat dadurch ausgelöst, dass ein Zug in Brand gesteckt wurde, in dem "Freiwillige" saßen, die für einen Tempel-Bau in Ayodyha agitierten.

Vor Ort recherchiert

Voykowitsch besucht die entscheidenden Orte und befragt einfache Menschen wie Prota- gonisten der unterschiedlichsten Gruppen. Dabei kann sie ihr reichhaltiges Hintergrundwissen zu Geschichte, Politik und Literatur des Subkontinentes einfließen lassen. Nur das Beschreiben einer Szenerie in wenigen Sätzen, das zur Kunst der Reportage gehört, gelingt ihr nicht immer so, dass gleich ein Bild beim Leser entsteht. Auch manche Ungeschicklichkeit im Ausdruck hätte ein sorgfältiges Lektorat korrigieren können. Das ist um so bedauerlicher, als dass eine Reihe wie die Picus Reportagen nur zu begrüßen ist: Hier erhalten auch Journalisten, deren Namen man nicht aus dem Fernsehen kennt, die Chance im Hardcoverformat aus "ihren" Ländern zu berichten. Ein verdienstvoller Beitrag um die Form der Reportage, die wichtige Hintergründe für das Verständnis der täglichen Nachrichten liefert und dabei fremde Länder und Probleme viel näher an die Menschen bringen kann als Fachpublikationen.

Anschauliche Szenerie

Auch wenn Voykowitsch natürlich nicht die Frage nach dem Warum lösen kann, es gelingt ihr, die Probleme von Hindus und Moslems in den Nachbarstaaten Indien und Pakistan anschaulich zu machen. Das kann unter anderem an der Szenerie eines verlassenen Grenzortes deutlicher werden als in vielen sozialwissenschaftlichen Analysen.

Allah, Ram und Kricket

Indisch-Pakistanische Konfrontationen Von Brigitte Voykowitsch

Picus Reportagen

Picus Verlag, Wien 2003

144 Seiten, geb., e 14,90

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