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Neo-Romantik

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„Weiße Nächte“, nach einer Novelle von Dostojewski], wirft nicht die Filmproblematik der kürzlich gezeigten Hollywoodschen „Karamasows“ auf. Es ist wohl auch ein „anderer“ Dostojewskij. Dem italienischen Regisseur Luchino Visconti ist zudem eine so vollständige nationale Um- und Ein-schmelzung der Vorlage gelungen, daß sich jede Erörterung, wieweit „russisch“ oder falsch, erübrigt. Es ist moderne, italienische Neo-Romantik in Reinkultur, stilistisch rund und geschlossen wie nur ein Meisterstück des Neoverismo. Daß so Verschiedenes auf dem gleichen Boden gedeihen kann, ist fast nicht faßbar. Hat nicht aber doch schon Fellini Brücken gebaut zu solchen zarten Stoffgespinsten wie dieser Natalia, die ein Jahr lang auf den rätselhaft verschwundenen, kaum gekannten Verlobten wartet, bis er schließlich, als sie eben ihr verzagtes Herz an einen anderen verschenken will, wieder auftaucht und seine alte Macht entfaltet? Alles spielt sich wie durch einen feinen grauen Schleier gesehen ab — ein Trick der Kamera, deren Halbdunkel tausend Illusionen zaubert und alles offen läßt. Maria Schells Freunde und Gegner haben wieder Gelegenheit, einander die Haare auszuraufen: wir fanden sie gut wie noch nie, allerdings an der Seite eines idealen Partners: Marcello Mastroiannis. Etwas unkonturiert der „steinerne Gast“ Jean Marais'. Ein lyrischer, ein expressionistischer Kammerspiel-, ein schwieriger Film. Ein Geigenbogenstrich con sordino. Er wird es schwer haben beim Publikum.

..... und nichts als die Wahrheit“ wünschte man dem gleichnamigen, sehr gekonnten deutschen Gesellschafts- und Kriminalfilm, denn er drückt sich sehr verlegen um des Pudels Kern, die Tötung auf Verlangen, herum O. W. Fischer unterspielt darin auf fast schon unerlaubte Weise. — Ein schmieriger Titel, ein ebensolcher Veit-Harlan-Film: „Liebe kann wie Gift sein.“ — Etwas von seinem Schwulst hat auch der amerikanische Film mit Sophia Loren, „Begierde unter Ulmen“, dessen Vorlage, ein Eugene-O'Neill-Stück, wir nicht kennen und auch nicht kennen wollen. Habe einer den Mut, nach so dumpf dampfenden Exhibitionen einen Stein auf harmlose Unterhaltung zu werfen, wie sie der deutsche „Schwarzwälder Kirsch“ kredenzt.

F i I m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 42 vom 18. Oktober 1958: III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Mit einer Zeitung zugedeckt“, „Schwarzwälder Kirsch“, „Wehe, wenn sie losgelassen“ — IV (Für Erwachsene): „Die Brüder Karamasow“, „Es geschah in Chikago“, „Man müßte nochmals zwanzig sein“, „Der Regimentstrottel“, „Sayonara“, „U 47 — Kapitänleutnant Prien“, „Weiße Nächte“ — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Duell in den Wolken“ — IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Begierde unter Ulmen“, „Der sechste Mann“ — VI (Abzulehnen): „Liebe kann wie Gift sein“.

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