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Der Pakt von Rio

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Der gegenseitige Beistandsvertrag von Rio de Janeirc* bestimmte 1947, daß ein Angriff auf einen Scaat in der westlichen Hemisphäre als Angriff auf alle Staaten angesehen werden sollte. Damit ging das alleinige Entscheidungsrecht der Vereinigten Staaten unter der Monroe-Doktrin auf ein Kollektiv über. Trotzdem können diejenigen, die bestreiten, daß der Pakt von Rio die Doktrin abgelöst hat, ein gewichtiges Argument vorbringen. Es ist, daß das Recht der Vereinigten Staaten auf Selbstverteidigung die Grundlage der Doktrin sei, und daß der Pakt dieses Recht anerkenne. Dies wurde sowohl von Präsident Eisenhower als auch von Staatssekretär Dulle?, unter deren Ägide der Pakt geschlössen würde, ausdrücklich hervorgehoben. Die Vereinigten Staaten können auf dies Recht umso weniger verzichten, als die Verhältnisse in Südamerika bekanntlich chaotisch sind. Es erscheint ausgeschlossen, daß sich die südamerikanischen Staaten zu einer gemeinsamen Aktion, die über schöne Worte hinausgeht, gegen das Castro-Regime aufraffen können.

Präsident Kennedy zollte der Doktrin vor kurzem Tribut. Er erklärte, sie bedeute noch immer das, was sie seit Monroe bedeutet habe. Damit bleibt allerdings die Frage offen, ob der Präsident darunter nur das Recht zur Selbstverteidigung versteht oder mehr. Er rechnete wohl damit, daß sich die Mehrheit des Volkes gar nicht dieses feinen, aber bedeutsamen Unterschiedes bewußt ist. Allerdings hätte der Präsident seine angebliche Ansicht, die Doktrin sei den heutigen Verhältnissen nicht mehr angemessen, nicht klipp und klar aussprechen können, denn er hätte die Unruhe im Volk erhöht und den Scharfmachern Munition geliefert.

Jedoch besteht keine allgemeine Zuversicht darüber, daß der Präsident -ine klare Vorstellung davon hat, was an die Stelle der Doktrin treten soll.

E ;r angesehene Historiker Hans Morgenthau beschrieb unlängst den Unterschied zwischen dem Staatsmann und dem Politiker. Der Staatsmann hätte den Mut, einsame Entschlüsse zu fassen, deren Gelingen er nicht vorher mit Sicherheit abschätzen könne. Der Politiker dagegen wolle auf Sicher gehen. Morgenthau fürchtete, daß Mr. Kennedy, gerade weil er Politiker durch und durch sei, sich nicht überwinden kann, die Ungewißheit, die das Los des Staatsmannes ist, auf sich zu nehmen.

Der kategorische Imperativ, sich als Weltmacht zu behaupten, hat es jedoch der Kennedy-Administration unmöglich gemacht, weiterhin genüßlich von dem durch wirtschaftliche Schwierigkeiten von selbst eintretenden Sturz Castros zu träumen. Sie hat handeln müssen! Und sie hat gehandelt. Sie wählte den dritten Weg zwischen Blockade und direkter Intervention.

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