6692549-1962_44_06.jpg
Digital In Arbeit

Kennedy und Monroe-Doktrin

Werbung
Werbung
Werbung

Amerikaner, die in Kuba direkt intervenieren wollten, berufen sich auf die Monroe-Doktrin. Diese ist für sie beinahe ebenso sakrosankt wie die Verfassung. Wenn auch die Leute, die so dachten, in der Mehrzahl waren, oder zumindest am lautstärksten, betrachten doch manche ihrer Landsleute die Doktrin als überholt und als ungenügende Rechtfertigung eines direkten Angriffs auf das Castro-Regime. Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Doktrin ist für das Verständnis ihrer heutigen Rolle unerläßlich.

1822 wurde der amerikanische Kontinent von Rußland und anderen europäischen Mächten bedroht. Zar Alexander I. erhob Ansprüche auf die gesamte pazifische Küste bis zum 51. Breitengrad. In dem Protest des damaligen Präsidenten, James Monroe, gegen diese Ansprüche zeigen sich die ersten Ansätze der späteren Doktrin. Das Recht Rußlands „auf irgend eine Gebietsergreifung auf' diesem Kontinent“ wurde verneint. Eine weitere Bedrohung ergab sich aus dem Beschluß der Heiligen Allianz, Ferdinand VII. von Spanien, dem seine Untertanen eine liberale Verfassung abgetrotzt hatten, in seine alten Rechte wieder einzusetzen. Man befürchtete in Washington, daß darauf versucht werden würde, die früheren spanischen Kolonien in Amerika, die die Herrschaft des Mutterlandes abgeschüttelt hatten, wieder zu unterwerfen. Die Vereinigten Staaten waren der einzige Staat, der ihre Unabhängigkeit anerkannt hatte.

Der britische Außenminister Can-ning, der sich um den lukrativen britischen Handel mit den früheren Kolonien sorgte, schlug den Vereinigten Staaten eine gemeinsame Warnung an die Heilige Allianz vor. Als dieses Projekt an der Forderung der Vereinigten Staaten, Großbritannien solle die Unabhängigkeit der neuen Staaten anerkennen, scheiterte, verkündete Monroe die Warnung allein. Während sein Staatssekretär, Adams, sie den davon betroffenen Mächten auf diplomatischem Wege mitteilen wollte, nahm der Präsident sie in seine Botschaft zum Jahresende, im Dezember 1823, auf. Dadurch verlieh er ihr größeres Gewicht.

In seiner Botschaft brandmarkte der Präsident jeden Versuch auswärtiger Mächte, „ihr System auf irgend einen Teil dieser Hemisphäre auszudehnen“ als eine Gefahr „für unseren Frieden und Sicherheit“. Man könnte glauben, daß, als James Monroe diese Ausdrücke wählte, er prophetisch die modernen Methoden der verdeckten Aggression durch politische Infiltrierung im Auge hatte.

Zur Zeit Monroes hatten die Vereinigten Staaten, die ja noch nicht zu einer Seemacht geworden waren, keine Möglichkeit, den tapferen Worten de Präsidenten Taten folgen zu lassen. Verschiedene südamerikanische Staaten suchten um ein Verteidigungsbündnis nach und wurden abgewiesen. Staatssekretär Adams gab offen zu, daß die Vereinigten Staaten zur Abwehr eines Angriffs seitens europäischer Mächte die Hilfe anderer europäischer Mächte benötigten.

Tatsächlich wurde die Doktrin nur durch die stillschweigende Schützenhilfe der britischen Flotte davor bewahrt, nichts als eine bombastische Erklärung zu sein. Übrigens hat bis auf den heutigen Tag keine europäische Macht die Doktrin anerkannt. Sie ist niemals zu einem Bestandteil des Völkerrechtes geworden, sondern ist eine einseitige Willensäußerung der Vereinigten Staaten.

Diejenigen, die die Doktrin für überholt ansehen, berufen sich auf ihre Auslegung durch Adams. Dieser legte ihr drei Prinzipien zugrunde:

• „Enthaltung“ seitens der Vereinigten Staaten von europäischen Händeln

• „keinen Kolonialismus“ seitens europäischer Mächte in Amerika

• „Hände weg“ von der Hemisphäre

Unzweifelhaft ist das erste Prinzip überholt, nachdem die Vereinigten Staaten heutzutage in Händel in aller Welt verwickelt sind. Für die Gültigkeit des zweiten Prinzips aber dürfte es nichts ausmachen, daß der Kolonialismus andere Formen angenommen hat. Die Gültigkeit des dritten Prinzips wird nicht in Frage gestellt.

Unter nächfolgenden Präsidenten wurde die Doktrin schärfer definiert: 1845 erklärte James Polk sie zum unverrückbaren Bestandteil der Politik der Vereinigten Staaten. Zwar nützten Spanien und Frankreich die Schwächung der Vereinigten Staaten durch den Bürgerkrieg aus, um sich San Domingos und Mexikos zu bemächtigen. S;e mußten sich aber nach Ende des Bürgerkrieges aus der Hemisphäre zurückziehen, wobei bekanntlich der unglückliche Maximilian sein Leben lassen mußte.

In der Epoche des amerikanischen Imperialismus wurde auch die Auslegung der Doktrin hochtrabend. Präsident Cleveland erklärte 1895, die USA seien keine Nation, die Frieden nötig hätte, und sein Staatssekretär, Olney, wies darauf hin, daß der Wille der Vereinigten Staaten ein Machtspruch für den gesamten Kontinent sei.

Theodore Roosevelt hielt es für die Pflicht der Vereinigten Staaten, wenn südamerikanische Staaten europäischen Nationen Grund zur Beschwerde gaben, durch eigenes Eingreifen einer europäischen Einmischung zuvorzukommen. Er zwang Deutschland, eine Blockade Venezuelas, das seine Schulden nicht bezahlte, abzubrechen. Woodrow Wilson hielt die Souveränität der karibischen Nation für weniger wichtig als die Notwendigkeit, ihnen Demokratie beizubringen. Daraus folgten langjährige Okkupationen San Domingos, Nikaraguas und Haitis. Schon 1898 war das von Spanien befreite Kuba gezwungen worden, in seiner Verfassung die Oberaufsicht Amerikas anzuerkennen, was zu wiederholten amerikanischen Interventionen führte.

Franklin D. Roosevelt ging von einer Politik der Bevormundung Südamerikas zu einer der „guten Nachbarschaft“ über. Infolgedessen stimmten die Vereinigten Staaten 1933 einer interamerikanischen Entschließung bei, in der das Recht irgend eines Staates oder auch einer Gruppe von Staaten, sich in die inneren oder äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen, abgelehnt wurde. 1948 wurde diese Resolution noch schärfer gefaßt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung