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Die Ges(ch)ichtslosigkeit der deutschnationalen Spätzünder

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Nun will alsq die Liberale Internationale (LI) den FPÖ-Obmann Jörg Haider nach London vorladen, um zu entscheiden, ob die sogenannte „Freiheitliche Partei" aus Osterreich noch würdig ist, Mitglied zu bleiben.

Was für eine wunderbare Gelegenheit für Kärntens deutsch-nationalen Jung-Siegfried, die Heldenposse eines gnadenlos verfolgten Märtyrers zu spielen! Und aus dem Chor der beleidigten Leberwürste tönen prompt die altbekannten Lieder wehleidiger Austro-Germanen - von der internationalen „Campagne" und einer globalstrategischen Intrige gegen einen ganz Großen der Weltpolitik.

Was sind denn heute eigentlich noch Liberale? Bei uns in Deutschland sind sie ebenso frei von christlichen Grundwerten wie von sozialem Engagement. Auch die FDP war früher sehr deutschnational. Heute besteht ihre Liberalität weitgehend nur noch aus Opportunismus - wie die von Jörg Haider.

Aber eines kann man unseren Liberalen nicht nachsagen, nämlich daß sie undemokratisch seien oder gar nazistisch. Da war und ist die FPÖ als Sammelbecken weniger weltanschaulich heimatloser Liberaler und vieler Ewiggestriger schön seit jeher eine Art Bastard innerhalb der LI.

Was Jörg Haider im Kärntner Landtag gedankenlos dahinschwa-droniert hat, wäre ja gar nicht so empörend gewesen, wenn er differenzierter formuliert hätte. Die Beschäftigungspolitik der Nationalsozialisten zur Bekämpfung der Massen-Arbeitslosigkeit in Deutschland von 1933 bis etwa 1938 wurde ja leider für so erfolgreich gehalten, daß nicht nur die Deutschen, sondern die halbe Welt vor Respekt und Bewunderung Hitler aus der Hand gefressen und die drohende faschistische Gefahr nicht emstgenommen haben.

Ab der „Reichskristallnacht" und nach Kriegsbeginn begann die „Beschäftigungspolitik" brutal mit Zwangsarbeit, Verschleppung ziviler Fremdarbeiter und Ausbeutung der Arbeitskraft zur wirtschaftlich nutzbringenden Ausrottung von Juden und anderen „Untermenschen".

Das Problem Haiders und vieler deutschnationaler Spätzünder ist die Geschichts- und damit Ge-sichtslosigkeit ihres kleinkarierten Weltbildes. Auch ein Verteidigungsminister Frischenschlager hatte einmal nach der Begrüßung des Kriegsverbrechers Reder beteuert, er könne doch als 40jähriger gar nicht wissen, was vorher war. Richtig! Woher sollte schließlich auch einer, der jünger als 2.000 Jahre ist, etwa wissen, daß Hannibal die Alpen überquert hat?

Wer nicht bereit ist, als Deutschnationaler die deutsche Geschichte zu lernen und aus ihr zu lernen, der stolpert als Politiker zu Recht über sein eigenes Mundwerk. Aber es ist eben nur ein loses und noch lange kein liberales.

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