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Digital In Arbeit

Ein Operationskalender gegen die Stagnation

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Der Präsidentschaftswahlkampf ist prolongiert. Viel spricht dafür, daß er sozusagen nahtlos in die Auseinandersetzung vor der Nationalratswahl übergeht. Sicher erscheint jedenfalls, daß Sachprobleme in nächster Zeit hintanstehen, ja vielleicht sogar ganz von der politischen Bühne verdrängt werden.

Vor unseren- Augen spielt sich ein geradezu verbissener Kampf um die Macht ab, wo auf der einen Seite Erneuerung verlangt wird und auf der anderen man sich immer mehr an den Positionen festkrallt. Die Krise der kleinen Regierungspartei wird das ihre zu einer bewegten und sicher auch unschönen Situation in unserer Republik beitragen.

Sicher geht es im geschichtliehen Ablauf des demokratischen Geschehens nicht ohne solche Perioden einer Machtauseinandersetzung ab. Die Beteiligten müssen nur darauf achten, daß die Spielregeln allseits eingehalten werden und der Stimmbürger wirklich das letzte und freie Wort hat.

Es muß allerdings heute die Frage gestellt werden, ob es verantwortet werden kann, daneben so viele andere wichtige Fragen gleichsam liegenzulassen.

Die laufende Regierungsperiode war schon im letzten Jahr von abnehmendem Schwung gekennzeichnet. Die Zeit kühner Reformen ist längst vorbei, und man quälte sich eher mit einem Bemühen pragmatischer Verwaltung und der sogenannten Bewältigung von Skandalen und Katastrophen ab.

Die Gesetzgebung wurde immer mehr reaktiv tätig, das heißt, entstandenen Schwierigkeiten Rechnung tragend, aber nicht klar geprägten Sachkonzepten folgend.

Daneben türmt sich geradezu ein Berg ungelöster Probleme. Der Staatshaushalt muß einfach neu geordnet werden, wenn wir nicht offenen Auges in eine Katastrophe schlittern wollen. Die Sozialversicherung wird neu zu konzipieren sein, wenn das System nicht zusammenbrechen soll. Spitalsfinanzierung, Umweltschutz, Berufsausbildung, Forschung und Kapitalbildung erfordern neue Weichenstellungen, wie es überhaupt um die Behauptungsfähigkeit unserer Wirtschaft in einem geradezu mörderischen internationalen Wettbewerb geht.

In einer solchen Situation sollte man das scheinbar Unmögliche versuchen, nämlich die konstruktiven Kräfte noch einmal in der letzten Phase dieser Gesetzgebungsperiode flottzumachen.

Die Opposition verlangte Neuwahlen, die Mehrheit hat abgelehnt Das ist aber nur ein Teil der Antwort. Nicht wählen darf ja nicht nur bedeuten, an der Macht zu bleiben, sondern schließt auch die Verpflichtung ein, diese Macht im Sinne der Bürger und des seinerzeitigen Wählerauftrags zu nützen.

Sollten die Regierungsparteien eine solche Verständigung über ein Arbeitsprogramm suchen, würde sich dem die Opposition nicht entziehen. Ein Beweis dafür, daß man Sachfragen in bewegten politischen Zeiten lösen kann, würde allen Parteien guttun, vor allem aber der Demokratie und dem — ohnedies schon geschädigten - Ansehen des Parlamentarismus in unserem Land.

Konkret könnte so vorgegangen werden, daß die im Nationalrat vertretenen Parteien einen „Operationskalender“ vereinbaren, der folgende wesentliche Punkte umfaßt:

• Die Werbung für die Stichwahl des Bundespräsidenten wird von Umfang und Inhalt her stark eingeschränkt. Sie konzentriert sich auf eine positive Darstellung der Kandidaten und ihrer Amtsvorstellung; die Funktionäre der politischen Parteien ziehen sich aus der Auseinandersetzung weitgehend zurück.

• Für den Beginn des nächsten Nationalratswahlkampfes wird ein Zeitpunkt vereinbart, der möglichst spät festgelegt wird und bis zu dem ein ausufernder „Vorwahlkampf“ ausgeschlossen wird.

• Die im Parlament unerledigt gebliebenen Gesetzesvorlagen werden systematisch gesichtet und mit einer Rangliste versehen. Gleichzeitig werden Vorschläge für andere wichtige Gesetzesvorhaben eingeholt.

• Für die parlamentarische Arbeit bis zur nächsten Wahl wird ein Terminplan für die Verabschiedung von dringenden Gesetzesmaßnahmen beschlossen. Der Detailinhalt wird nicht festgelegt, sondern lediglich die Zielsetzung der einzelnen legistischen Projekte. Alle Parteien verpflichten sich aber, an der zügigen und expediti-ven Beratung und Verabschiedung mitzuwirken.

• Noch vor dem Sommer widmet der Nationalrat einen Sitzungstag der sachlichen Erörterung des Rahmenplans. Die politische Diskussion wird für den Rest des Jahres 1986 auf Problemlösungen konzentriert.

Der Autor ist Abgeordneter zum Nationalrat und Bundesobmann des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes (ÖAAB) der OVP.

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