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Gelehrter und Heiliger

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Niels Stensen—Nicolaus Steno-nis: .die Epochen seines Lebenslaufes hören sich an, als seien die Biographien mehrerer bedeuten-, der Persönlichkeiten aufgezählt. Die knappe Bezeichnung als .Anatom, Begründer der Geologie und Knecht Gottes“ umreißt seinen Wirkungskreis und ist als Inschrift auf einem modernen Denkmal des Gelehrten vor dem Neubau der naturwissenschaftlichen Universitätsbibliothek in Kopenhagen angebracht.

1638 als Sohn eines Goldschmieds in Kopenhagen geboren, faszinierten Niels schon als Kind die Naturwissenschaften, ob es sich um die chemische Zusammensetzung der Metalle oder um Schneekristalle handelte.

An der Anatomie in seiner Heimatstadt begann er sein Studium; es führte ihn über Rostock nach Amsterdam und Leiden, später nach Paris und Montpellier und schließlich nach Pisa und Florenz. Längst war er kein Student mehr, sondern anerkannter Gelehrter, der sieben Sprachen beherrschte und drei naturwissenschaftliche Disziplinen neu begründete.

Als Anatom war er früh berühmt geworden. Er hatte als 22j ähriger Student bei seiner ersten selbständigen Sektion an einem Schafskopf den Ausgang der Ohrspeicheldrüse entdeckt—nach ihm „Ductus Stenonianus“ benannt. Er bewies, daß das Herz ein Muskel sei und nicht, wie bisher angenommen, als „Thron der Seele“ ein Sonderdasein führte. In mythologisch gedeuteten Stein-gebüden erkannte Stensen versteinerte Haifischzähne und wurde dadurch zum Begründer der Geologie.

Nüchterne Realitätsbezogen-heit zeichnet Stensen aus — und zugleich tiefe Ehrfurcht vor allem Geschaffenen.

Am Hof der Mediceer in Florenz findet Stensen ideale Bedingungen für seine Arbeit. Er findet dort noch mehr: Angeregt durch katholische Freunde, befaßt sich der protestantische Däne intensiv mit dem Katholizismus und konvertiert schließlich 1667. Seine bedingungslose Zielstrebigkeit, auch in dieser Hinsicht, führt ihn weiter, er wird am 13. April 1675 zum Priester geweiht, zwei Jahre später erhält er die Bischofswürde. Stensen gibt seine wissenschaftliche Arbeit auf, um sich ganz der Seelsorge zu widmen.

Als Apostolischer Vikar betreut er die nordische Mission von Hannover aus und wird Weihbischof von Münster. Sein Streben nach Christusnachfolge bringt ihm wenig Sympathie bei den geistlichen Würdenträgern ein, und als er sich weigert, das Heilig-Geist-Amt zur Wahl des neuen Bischofs} von Münster zu zelebrieren, „weil der Bischof ohne Mitwirken des Heiligen Geistes bereits gewählt sei“, wird ihm nahegelegt, Münster zu verlassen. Er geht nach Hamburg, dann nach Schwerin und kümmert sich um die Seelsorge in der ausgedehnten Diaspora. Seine Schriften über die „Hirten-pflicht“ sind heute noch aktuell.

1686 stirbt Stensen nach schwerer Krankheit 48jährig. Sein Leichnam wurde nach Florenz überführt, der Sarkophag, mit Blumen und Fahnen geschmückt, steht in der Capeila Stenoniana in San Lorenzo. Ein Herz, aus dem das Kreuz aufragt, war Stensens Bischofswappen. Es symbolisiert sein Leben.

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