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Hecht im Karpfenteich

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Es war ein Fest für Konservative, die eine Selbstbestätigung suchten. Der Kongreß der österreichischen Studentenpartei JES (Junge Europäische Studenteninitiative) unter dem Motto „Europatrend konservativ“ gab den Kandidaten für die bevorstehenden Hochschulwahlen sichtlich Auftrieb.

Drei große Themenkreise standen zur Diskussion: Ostpolitik und Menschenrechte, Büdungspolitik, die Chancen der konservativen Parteien Europas bei künftigen Wahlen. Man nahm sich kein Blatt vor den Mund, vor allem nicht die beiden im Stile eines Franz Josef Strauß argumentierenden Gäste von der Jungen Union Bayerns, die ein energischeres Auftreten gegenüber der Sowjetunion forderten und deren Anspruch, „den fortschrittlichen Kräften in anderen Ländern brüderlich zur Seite zu stehen“, auch vom Westen wahrgenommen sehen wollten. Bezüglich positiver Ergebnisse der Konferez von Belgrad gab man sich äußerst skeptisch.

Im Bereich Bildungspolitik fand die Chancengleichheit einhellige Zustimmung, die Gleichmacherei und Mitbestimmung durch wissenschaftlich unqualifizierte Personen zum Teil schroffe Ablehnung. Prof. Fritz Paschke, früherer Rektor der Technischen Universität Wien, regt an, daß die Mandatare in den akademischen Gremien nicht ihren Stand (Professoren, Assistenten, Studenten), sondern wie etwa in England, ihr Fach vertreten sollten.

Die im Mittelpunkt stehende Europadebatte zeigte das ganze Dilemma konservativer Parteien auf. In Italien wolle keine Gruppierung als „konservativ“ gelten, erklärte Giorgio Tombe- si, Abgeordneter der Democrazia Cri- stiana, ein im christdemokratischen Bereich verbreitetes Phänomen. Seine Partei sei aber insofern konservativ, daß sie trotz aller zeitbedingten Veränderungen bestimmte Werte bewahren und verteidigen wolle. Diesen Begriff von Konservativismus, der nicht darin bestehen dürfe, das Rad der Geschichte krampfhaft zurückdrehen zp wollen, vertraten auch die anderen Redner, die die Lage in verschiedenen Ländern Europas beleuchteten.

John Morre, Stellvertreter von Margaret Thatcher, rechnet spätestens im Frühjahr 1978 mit Neuwahlen und einem klaren Sieg der Konservativen in England: „Sozialismus ist tot, wir warten nur noch auf das Begräbnis!“ Eine konservative Regierung müsse zunächst umfassende Reformen des Steuersystems und des Wohnungswesens durchführen, einen Abbau der Bürokratie und eine Stabilisierung der Währung erreichen. Endziel sei ein vereintes - natürlich konservatives - Europa. Dr. Otto Habsburg, Präsident der Paneuropa-Union, sieht in dem gemeinsamen Symbol der europäischen Sozialisten und Kommunisten, der geballten Faust, ein Zeichen für deren Kooperation, befürwortet ein energisches gemeinsames Hinarbeiten der konservativen und christdemokratischen Kräfte auf die Wahlen zum Europaparlament: „Dazu müssen wir einige kräftige Hechte in den konservativen Karpfenteich schicken!“ Zusammenfassend nannte Ex-Au- ßenminister Dr. Lujo Toncic-Sorinj vier wichtige Punkte für eine erfolgversprechende konservative Politik: Prinzipientreue, Einigkeit, das europäische Element und Offensive statt Defensive.

Ein kleiner Schritt nach Europa? Die Schwierigkeiten wurden offen ausgesprochen, etwa die Ressentiments gegen den Kontinent in Großbritannien, die völlig unklare ideologische Situation bei den französischen Gaullisten. Vereint hätten die Konservativen und Christdemokraten in Europa eine absolute Mehrheit, aber es dürfe nicht zu spät zu einer Eingung kommen, sonst droht, wie Dr. Tonciö am Beispiel des Falles der uneinigen Stadt Konstantinopel erläuterte, der Untergang.

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