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Jesus rechts, Kirche links?

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Jesus rechts, Kirche links; oder Jesus links, Kirche rechts; oder Jesus rechts, Kirche rechts; oder Jesus links, Kirche links? Das ist neuerdings eine durchaus aktuelle Frage geworden, seit ein österreichischer Politiker sein laientheologisches Charisma entdeckt hat; und - frei nach Luther - dem Volk nicht nur „aufs Maul” sondern auch in die Seele schauen will.

Jetzt hat doch besagter Herr tatsächlich katholische Bischöfe als „links” entlarvt! Aber war er nicht selbst ein Linker, dieser Jesus, dessen Beauftragte ja wohl diese Bischöfe sind?

Immerhin wurde Jesus als Sohn eines Handwerkers geboren. Als erwachsener Mann ist er ein heiliger Aktivist. Er schließt sich Johannes dem Täufer und seiner Gruppe an, doch die sind ihm nicht radikal genug. Er gründet eine Basisgruppe und zieht aus, die Welt zu verändern. Es kommt zum Kampf mit den Etablierten, den Ideologen des Status quo. Er setzt sich für die Benachteiligten ein, die Entrechteten, die Ausgestoßenen.

Judas, ein rechtsradikaler Abweichler verrät ihn um Geld. Bei einem letzten gemeinsamen Essen gibt Jesus sein religiöspolitisch-humanitäres Testament bekannt. Er wird gekreuzigt und begraben - ein Schock für seine Anhänger. Aber sie arbeiten das Erlebte auf. Sie gründen eine Weltanschauungsgruppe, die bis heute in Seinem Sinn agiert, eintritt für mehr Menschlichkeit und verfolgt wird wie Er. Muß die Kirche also „links” sein, wenn sie diesem Jesus nachfolgt?

Oder war das „Haupt” der Kirche doch ein „Rechter”? Schließlich wurde er als „Sohn Gottes” von einer Jungfrau geboren - im Stall von Bethlehem: Hirten auf dem Feld, Chöre von Engeln jubilieren vom Frieden.

Könige aus dem Orient huldigen dem Gotteskind mit kostbaren Geschenken. Als 12jähriger verblüfft er die Tempelpriester. Er beruft Jünger und verkündet mit ihnen das nahende Gottesreich. Er heilt Kranke, treibt Dämonen aus, weckt Tote auf. Judas - der Teufel war in ihn gefahren - verrät ihn. Mit seinen Jüngern sitzt er beim heiligen Abendmahl. Er wird gekreuzigt, begraben - aber er ist auferstanden von den Toten und beruft seine Jünger aufs neue. Er sendet seinen heiligen Geist, und seine Christen folgen ihm nach, um genauso Wunder zu vollbringen wie Er. Muß die Kirche also „rechts” sein, wenn sie diesem Jesus nachfolgt?

Was freilich die Ausländer betrifft, so hat sie der „linke Jesus” (Lukas 17/18) genauso geliebt, ja sogar als Beispiel hingestellt wie der „rechte Jesus” (Matthäus 25/ 35). Darum sollte, wer ein „Ausländervolksbegehren” betreibt, realistisch genug sein, um einzusehen, daß ihn weder die „linke” noch die „rechte” Kirche unterstützen wird.

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