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Kirche - (K)ein Sympathieverein?

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In den peinlichen Auseinandersetzungen in der Diözese St. Pölten, die seit Wochen, sehr zum Schaden der Kirche, die Zeitungsspalten füllen, wurde den „Progressiven” vorgeworfen, sie wollten aus der Kirche einen „Sympathieverein” machen, „in dem wir uns jeden Tag um den Hals fallen und Friedensküsse geben -.das bringt nichts, das ist alles ein bißchen ein komisches Zeug”. Mir sind Stellen aus der Bibel eingefallen, die solcher Ironie deutlich widersprechen.

In der Apostelgeschichte lese ich, daß die junge Kirche von Jerusalem „ein Herz und eine Seele” war und alles gemeinsam hatte. In Freude und Einfalt des Herzens brachen sie das Brot und waren beim Volk so beliebt, daß täglich Neue hinzukamen. Es war nicht überall so. In Korinth gab es Spaltung. Viele hielten mehr zu Kephas, Paulus oder Apollo als zu Christus. Grund, daß Paulus zur Einheit mahnte.

Jesus selbst geht erstaunlich mild mit seinen „Schafen” um. Er läßt die 99 stehen und geht dem einen nach, das sich verlaufen hat. Er heilt die vielen Kranken, tröstet die Traurigen, verzeiht der Ehebrecherin, ja dem Schacher am Kreuz und spricht den Aposteln, die ihn in der Leidensnacht verlassen hatten, nach der Auferstehung Mut zu und bringt ihnen seinen Frieden.

Und was er tat, sollte seine Kirche ganz in seinem Geist fortsetzen. Darum sendet er seine Jünger aus: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!” Und vor seinem Abschied betet er für die Seinen zum Vater, sie mögen alle eins sein, „damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast”.

Mit scharfer Polemik aber geht Jesus gegen Schriftgelehrte und Pharisäer vor, die überheblich sind in ihrer Lehre und menschenverachtend in ihrem Gehaben. Matthäus warnt ausdrücklich seine junge Christengemeinde, so nicht zu sein. „Einer nur ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Einer nur ist euer Vater, der im Himmel. Einer euer Lehrer, Christus.” (Mt 23,9f.) Wie nötig solche Mahnungen sind, zeigt, daß Jesus selbst seine Apostel, denen er die Kirche anvertrauen wollte, wiederholt beim eitlen Rangstreit ertappte und sie mit Worten, mehr noch durch sein eigenes Beispiel lehren mußte, was dienen heißt.

Im Gleichnis vom verlorenen Sohn, in dem Jesus in zartester Form die Liebe Gottes zeichnet, wartet der barmherzige Vater schon längst an der Schwelle seines Hauses auf die Heimkehr des Mißratenen, läuft ihm entgegen, umarmt und küßt ihn.

Ob Kirche nicht doch sehr viel mit „Sympathie”, also mit Mitleid und Mitempfinden zu tun hat, mit Versöhnung und mit Frieden? Jedenfalls wird ihr Stellenwert in der Gesellschaft und ihre Glaubwürdigkeit zurecht daran gemessen.

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