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Ohne Dach, ohne Brot
Der Andenstaat wählt am Sonntag seinen neuen Präsidenten. Die Lage der Menschenrechte hat sich außerordentlich verschlechtert. Österreich will jetzt aber Waffen liefern.
Der Andenstaat wählt am Sonntag seinen neuen Präsidenten. Die Lage der Menschenrechte hat sich außerordentlich verschlechtert. Österreich will jetzt aber Waffen liefern.
„Ekuador lebt zur Zeit in einer Diktatur. Demokratie und Menschenrechte werden in keiner Weise respektiert.“ Mit diesem Urteil über die autoritäre Gangart der seit 1984 amtierenden Regierung des christlich-sozialen Präsidenten Leon Febres Cordero spricht Bischof Alberto Tovar für
viele Ekuadorianer, die die Au-steritätspolitik und Repression zu spüren bekamen.
Die Menschenrechtsverletzungen sind sprunghaft angestiegen. Der scharfe neoliberale Wirtschaftskurs und die Rückzahlung der hohen Auslandsschuld führen zu wachsender Armut und Verelendung. Eine rücksichtslose Konfrontationspolitik gegenüber der Opposition überschreitet nur allzuoft den Rahmen des Zulässigen. Ekuador, so warnen kirchliche Kreise, Menschenrechtsorganisationen, die Gewerkschaften und die politische Opposition, laufe Gefahr, nach kaum zehn Jahren demokratischer Aufbauphase erneut einen Rückfall in die Diktatur zu erleiden.
In diesem spannungsgeladenen Klima fand Ende Jänner die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Von insgesamt zehn Kandidaten qualifizierten sich der Sozialdemokrat Rodrigo Bor-ja und der links-nationalistische Populist Abdalä Bucaram für die am kommenden Sonntag angesetzten Stichwahlen.
Sozialdemokratie gegen linken Populismus — eine für lateinamerikanische Verhältnisse ungewöhnliche Konstellation, die in Kreisen ekuadorianischer Militärs und Unternehmer auf wenig Gegenliebe stößt und bereits zu Putschgerüchten Anlaß gab.
Der teils von diesen Kreisen favorisierte Regierungskandidat Sixto Durän erhielt von den Wählern eine deutliche'Abfuhr. Ein Zeichen dafür, daß die Popularität Febres Corderos und seiner Partei nahezu auf den Nullpunkt gesunken ist.
Noch vor vier Jahren war Febres Cordero mit dem Versprechen „Brot, Dach und Arbeit für alle“ unter Begeisterungsstürmen ins höchste Amt gewählt worden. Schon damals befand sich Ekuador in einer schweren Wirtschafts- und Verschuldungskrise. Zu freizügig waren frühere Militärregierungen mit den zu Beginn der siebziger Jahre noch reichlich fließenden Petrodollars und den damals noch großzügig vergebenen Krediten umgegangen. Nun
sah sich das extrem exportabhängige Land am Äquator infolge stark gesunkener Weltmarktpreise für Erdöl und andere Rohstoffe einem unabtragbaren Schuldenberg gegenüber.
Febres reagierte auf die Krise im derzeit mit mehr als neun Milliarden Dollar im Ausland verschuldeten Land mit einem rigorosen wirtschaftlichen Anpas-sungs- und Sparprogramm, als dessen eigentliche Autoren die Gläubiger im Weltwährungsfonds (IWF) verantwortlich zeichnen. Statt „Brot, Dach und Arbeit“ gab es Preiserhöhungen und Reallohneinbußen.
Widerstand gegen die autoritären politischen und drastischen wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung werden von dieser nicht selten mit Repression beantwortet. Die ökumenische Menschenrechtskommission Ekuadors CEDHU registrierte allein im vergangenen Jahr 34 Fälle von Mord, 69 Fälle von Folter, 124 Fälle willkürlicher Festnahmen.
„Daß die österreichische Regierung angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen und der mehr als kritischen Lage unseres Landes Waffenexporte zuläßt, erfüllt uns mit großer Sorge.“ Die Präsidentin der ökumenischen Menschenrechtskommission Ekuadors, Schwester Elsie Monge, äußerte sich gegenüber dem Osterreich-Zweig des Inter-
nationalen Versöhnungsbundes betroffen über den Ende vergangenen Jahres bekanntgewordenen Milliardendeal österreichischer Waffenschmiede mit Ekuador.
Laut Presseberichten liefert die Steyr-Tochter Mannlicher mindestens 10.000 Armeeuniversalgewehre an den südamerikanischen Kleinstaat. Und das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI berichtet, daß 1987 auch Steyr-Daimler-Puch einen Großauftrag mit Ekuador abgeschlossen hat. Auftragsvolumen: 50 Kürassier-Panzer im Wert von etwa je 18 Millionen Schilling.
Auf eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Karl Ble-cha, warum er trotz Menschenrechtsklausel im österreichischen Kriegsmaterialgesetz Waffenexporte nach Ekuador genehmigte, antwortete dieser ausweichend: Das „Gebot der Amtsverschwiegenheit“ gebiete ihm, im „Interesse der betreffenden österreichischen Unternehmen, der Empfangsländer“ und der „auswärtigen Beziehungen“ keine Auskünfte hinsichtlich Exportbewilligungen zu erteilen.
Außenminister Mock beteuerte, daß die Menschenrechtssituation in den Bestimmungsländern österreichischer Waffenlieferungen „dem Gesetz entsprechend selbstverständlich genau geprüft“ werde.
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