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Priestermangel — eine offene Wunde
Der Weltgebetstag für die geistlichen Berufe und die steigende Zahl evangelischer Pfarrerkandidaten geben Anlaß, über den katholischen Priesternachwuchs nachzudenken.
Der Weltgebetstag für die geistlichen Berufe und die steigende Zahl evangelischer Pfarrerkandidaten geben Anlaß, über den katholischen Priesternachwuchs nachzudenken.
Die Zahl der katholischen Neupriester in allen neun Diözesen Österreichs schwankte in den letzten zehn Jahren zwischen 76 (1975) und 46 (1979). Wurden um das Jahr 1960 im Jahresdurchschnitt noch über 150 neue Priester geweiht, so sind es derzeit pro Jahr nur knapp 60.
Die Fortsetzung dieser Entwicklung würde bedeuten, daß in den nächsten 50 Jahren insgesamt 3000 neue Priester geweiht werden, womit nicht einmal auf jede heute bestehende Pfarre oder Seelsorgestation (siehe Kasten) ein neuer Priester käme. Daß 50 Jahre für eine Priesterlaufbahn schon sehr hoch angesetzt sind und neben den Pfarren noch zahlreiche andere wichtige Aufgaben wahrzunehmen sind, kommt dazu.
Josef Toth, Regens des Wiener Priesterseminars, resümiert zum Weltgebetstag für die geistlichen Berufe am 28. April: „Sehr großen Zuwachs an geistlichen Berufen haben wir in Südamerika und im Fernen Osten, besonders in Korea, bei uns kann man auf keinen Fall sagen, daß die Zahlen von Berufungen erheblich wachsen.”
Ob Orden oder Seminare für Weltpriester, die Zahlen der Neueintritte bleiben im wesentlichen konstant, Weltpriester- und Ordenspriesterweihen halten einander, über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet, die Waage. Zu beobachten ist, daß manche Ordensgemeinschaften zeitweise durch einen mitreißenden Abt oder einige junge Mitglieder der Ordensgemeinschaft erhöhte Anziehungskraft auf junge Menschen ausüben.
Daß es eine „Priesternot” gibt, die nicht durch Gastpriester aus anderen Diözesen (in Wien derzeit etwa sechs Prozent) ausgeglichen werden kann, will Regens Toth nicht unter den Tisch gekehrt wissen: „Wir müßten diese Wunde offenhalten und auch wirken lassen. Wir müßten uns fragen, woher das kommt, daß wir in unserer Zeit weniger geistüche Berufe haben, daß sich junge Christen so schwer für diesen Beruf und ein eheloses Leben entscheiden können. Der Stand der geistlichen Berufe und dazu die nichtorganisierten Ehelosen, die sich aus dem Geist Jesu für die Ehelosigkeit entschieden haben, sind für mich ein Maßstab für die Lebendigkeit und die Dichte des Glaubens.”
Von einem rät Josef Toth entschieden ab: „Wir dürfen nicht meinen, die Berufe .machen' zu können. Wir müßten mehr auf den
Herrn hinblicken und sagen, daß doch die Berufe eigentlich von ihm kommen. Und wir müßten auch bereit sein, auf seinen Wink zu schauen. Es ist doch so, daß unsere Gemeinden und auch wir
Priester einfach nicht mehr nach Jesus weinen, so wie Maria Magdalena. Im Grunde geht Christus uns nicht ab, wir weinen ihm nicht nach.”
Für Josef Toth müßte sich die gesamte Kirche gegen die fortschreitende Säkularisierung abheben: durch bewußtes christliches Leben in den Familien, durch Bereitschaft zur Ehelosigkeit auch bei Laientheologen und schließlich durch Bereitschaft, einen geistlichen Beruf auf sich zu nehmen.
Das Priesterseminar ist auch Stätte der Selbstüberprüfung. Etwa die Hälfte scheidet während der Ausbildung aus. Wegen des Zölibates? „Nur ganz wenige verlassen das Seminar, weü sie heiraten und eine Famüie gründen wollen”, meint Regens Toth.
Beim Eintritt besteht natürlich eine gewisse Schwellenangst, aber letztlich sind auch die meisten, die wieder ausscheiden, für die Zeit im Seminar dankbar, weü sie für ihr künftiges Leben Klarheit gewonnen haben. Toth: „Wäre so jemand gar nicht eingetreten, hätte er vielleicht sein Leben lang gedacht: .Hättest du nicht Priester werden sollen.'”
Auf jeden Fall plädiert Toth dafür, das überkommene Priester-büd (Ehelosigkeit, spirituelles Leitbüd) nicht aufzugeben. Es ist sicher eine — nicht nur von Toth bedauerte — besonders unangenehme Seite des Priestermangels, daß dadurch die Arbeitslast für den einzelnen Priester ständig steigt und seine Möglichkeit, an seiner eigenen Spiritualität und Glaubensvertiefung zu arbeiten, im gleichen Ausmaß sinkt.
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