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Es kam zu keiner Spaltung

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Die Entscheidung fiel auf den Tagungen, die sowohl die Christliche Volkspartei als auch die Belgische Sozialistische Partei am gleichen Sonntag, den 25. Juli, abhielten. Die Sozialisten taiten sich dabei ungleich schwerer als die Katholiken. Die Wallonen in der BSP sträubten sich nämlich. Fünf von zwölf wallonischen Föderationen lehnten jede Regierungsbeteiligung ab, ein Viertel der Brüsseler tat das gleiche, die Flamen zeigten sich eher zur Mitarbeit bereit. Schließlich ergab sich dann eine Mehrheit von 65 Prozent für die Koalition. Die Partei zeigte dennoch eine vorbildliche Disziplin und Solidarität. Die Gefahr einer Parteirevolte oder gar einer Spaltung, die Schwarzseher an die Wand gemalt hatten, erwies sich als völlig imaginär. Die Entscheidung der Mehrheit galt der Minderheit als Gesetz.

Ein günstiger Aderlaß

Der Parteirat der Katholiken sprach sich einmütig für Teilnahme an der Regierung aus. Der Umstand, daß die CVP ihren ultra-konser-vativen Flügel bei den Wahlen nahezu einbüßte (die Bürgerlichen Wallo-niens wählten meist liberal), hat die Eintracht und Homogenität in ihren Reihen merklich gefördert.

Die Parteiführer des Koalitionspartners wiesen ihre Anhänger darauf hin, daß eine Flucht in die Opposition angesichts der herrschenden Parteikrise die Lage lediglich verschlechtern könne. Die Sozialisten hatten in dieser Hinsicht schon einige Erfahrung. 1961 erlitten sie nach drei Jahren Opposition bei den Wahlen empfindliche Verluste. Den Katholiken, die auf eine 15jährige Tätigkeit als Regierungspartei zurückblicken, würde ein Verzicht ihrer berufenen Vertreter in einem Zeitabschnitt, da die großen, entscheidenden Aufgaben zu einer äußersten

Kraftanstrengung auffordern, fast als eine schmähliche Desertion vorgekommen sein.

Die begonnene Arbeit sollte, dahin sprach man sich aus, trotz der bitteren Früchte, die sie bisher zeitigte, bis zum guten Ende fortgeführt werden.

Auf die PVV schien kein Verlaß. Sie gebärdete sich schon im Rahmen der Regierungsbildung durchaus als Oppositionspartei. Eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten lehnten die Liberalen rundweg ab. Die Erlebnisse in der Zeit der Königskrise und des Schulstreites sind wahrscheinlich noch nicht vergessen. Und die CVP wird sich an die jüngsten Erfahrungen der niederländischen Katholiken mit den liberalen Partnern erinnert haben. Nur in der alten Koalition könnte die Verfassungsreform eine Chance haben. Eine Auflösung des Parlaments und schließlich Neuwahlen — diese Aussicht schreckte beide Parteien so kurz nach dem 23. Mai entschieden ab.

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