"Weg mit den Sanktionen!"

Werbung
Werbung
Werbung

Anlässlich des Welt-Frauentages am 8. März schilderte die Arabistin und Ethnologin Rosina Fawzia Al-Rawi auf Einladung der Initiative "Frauen ohne Grenzen" die Situation von Frauen im Krieg. Im Furche-Interview spricht sie über die Situation in ihrem Heimatland Irak und das "Kurdenproblem".

Die Furche: Wie ist die Stimmung in der irakischen Bevölkerung?

Rosina Fawzia Al-Rawi: Man versucht durchzuhalten und die Zähne zusammenzubeißen - wie in den letzten zwölf Jahren. Die Lage ist verzweifelt: Einerseits wird die Bevölkerung von Saddam unterdrückt und sehnt eine Änderung herbei, andererseits kann man nicht glauben, dass sich durch den Krieg etwas zum Positiven ändert. Vor allem hat man Angst, dass nach Saddam die Amerikaner das Land unter ihre Militärverwaltung stellen und dass es zum Bürgerkrieg kommt.

Die Furche: Wie groß schätzen Sie selbst diese Gefahr ein?

Al-Rawi: Derzeit werden alle unterdrückt - vor allem Kurden und Schiiten. Man kann den Irak als verschlossenen Druckkochtopf betrachten. Wenn der Deckel weggenommen wird, werden sich die Menschen noch mehr befreien wollen, und diese Befreiung verläuft - wie wir es schon mehrmals in der Geschichte gesehen haben - oft bürgerkriegsähnlich ab. Außer Amerika setzt die Unterdrückung fort. Um zur Demokratie zu gelangen, muss man aber das demokratische Bewusstsein fördern. Ich weiß aber nicht, ob die Repräsentanten der Amerikaner fähig sind, diese Entwicklung einzuleiten.

Die Furche: Dennoch hoffen die Kurden im Nordirak auf die Hilfe der USA. Teilen Sie ihre Hoffnung?

Al-Rawi: Ich glaube nicht, dass das "Kurdenproblem" nur auf dem Rücken des Iraks auszutragen ist. Die Kurden leben zum Teil in der Türkei, im Iran und im Irak. Für eine Lösung muss man all diese Staaten an einen Tisch bringen. Ein Krieg wird aber sicher zu keiner Lösung führen. Außerdem haben die Amerikaner die Kurden immer verraten.

Die Furche: Welche Visionen haben Sie für Ihr Heimatland?

Al-Rawi: Der Irak ist für die arabische Welt nicht nur ein Land, sondern auch ein Symbol. Es ist auf Grund des Ölvorkommens ein sehr reiches Land und war zugleich immer ein Zentrum der Bildung. Bildung und Reichtum machen sehr stark. Ich glaube, wenn man es schafft, die politische und soziale Entwicklung im Irak zu forcieren, dann kann sich dieser Reichtum auch positiv niederschlagen, dann kann sich das momentane Klientel-Patron-Verhältnis zwischen Staat und Bevölkerung in ein System von Bürgerrechten entwickeln. Dazu bedarf es aber Zeit.

Die Furche: Welche Rolle haben die Frauen bei dieser Bewusstseinsänderung?

Al-Rawi: Im Irak haben die Frauen wie in vielen arabischen Ländern eine Schlüsselrolle gespielt. Sie haben sich beteiligt am Aufbau des Staates und haben, was Arbeit und Einkommen betrifft, gleiche Rechte bekommen wie Männer - was ja nicht einmal in Österreich der Fall ist. Dies nicht deshalb, weil Saddam die Frauen so sehr liebt, sondern weil er Folgendes erkannt hat: Wenn er die Loyalität der Frauen gegenüber dem Familienclan umwandelt in eine Loyalität gegenüber dem Staat, dann kann er die ganze Gesellschaft verändert. Deshalb wurde Saddam am Anfang sehr stark von den Frauen unterstützt. Das ist natürlich durch die zwei Kriege und das UN-Embargo gekippt.Wenn aber die Sanktionen aufhören würden und sich der Irak wieder aufbauen könnte, wäre es schon möglich, die Opposition von innen zu stärken und eine Veränderung herbeizuführen. Als erstes müssten aber die Sanktionen fallen, denn die haben nichts gebracht: Sie haben Hussein nicht geschwächt, sondern nur die Bevölkerung in Verzweiflung gestürzt.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Nähere Informationen zum Netzwerk "Frauen ohne Grenzen" unter

www.frauen-ohne-grenzen.org

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung