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Hat Mannheim Zukunft?

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Mitten im Ablauf der XIX. Internationales Filmwoche In Mannheim 1970 durcheilte die Interessierten, von Zeitungsmeldungen aufgegriffen, das Gerücht, der Bundeszuschuß von DM 35,p00 (das macht ein Drittel der Festwochenkosten aus) Würde für das nächste Jahr gestrichen werden, was, wenn schon nicht das Ende, so doch erhebliche Schwierigkeiten für die Filmwoche 1971 und das zwanzigjährige Bestandsjubiläum dieser heute schon wichtigsten deutschen Filmveranstaltung, bedeuten würde,.. Was immer die Gründe für diese mehr als beunruhigende Maßnahme sein mögen, seien es nun politische (der stark vertretene „Linksdrall“ der meisten deutschen Filmbeiträge) oder künstlerische (die mehr als anfechtbare „Qualität“ der meisten deutschen Beiträge), so wäre sie unverantwortlich: Die Filmwoche in Mannheim ist bereits mehr als ein „Ort für Begegnungen“, ihr internationales Niveau ist unbestreitbar, ihr Ruf schon mehr als europäisch begrenzt und ihre Bedeutung kulturell kaum ersetzlich... Daher: Mannheim soll nicht sterben, darf es nicht!

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Mitten im Ablauf der XIX. Internationales Filmwoche In Mannheim 1970 durcheilte die Interessierten, von Zeitungsmeldungen aufgegriffen, das Gerücht, der Bundeszuschuß von DM 35,p00 (das macht ein Drittel der Festwochenkosten aus) Würde für das nächste Jahr gestrichen werden, was, wenn schon nicht das Ende, so doch erhebliche Schwierigkeiten für die Filmwoche 1971 und das zwanzigjährige Bestandsjubiläum dieser heute schon wichtigsten deutschen Filmveranstaltung, bedeuten würde,.. Was immer die Gründe für diese mehr als beunruhigende Maßnahme sein mögen, seien es nun politische (der stark vertretene „Linksdrall“ der meisten deutschen Filmbeiträge) oder künstlerische (die mehr als anfechtbare „Qualität“ der meisten deutschen Beiträge), so wäre sie unverantwortlich: Die Filmwoche in Mannheim ist bereits mehr als ein „Ort für Begegnungen“, ihr internationales Niveau ist unbestreitbar, ihr Ruf schon mehr als europäisch begrenzt und ihre Bedeutung kulturell kaum ersetzlich... Daher: Mannheim soll nicht sterben, darf es nicht!

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Gewiß, manche Erscheinungen auf dieser an sich großzügig und breit ausladenden „Film-Arbeitstagung“, die in Europa auf ihrem Gebiet wohl keine Konkurrenz mehr besitzt, sind nicht immer ganz erfreulich und zufriedenstellend, besonders für den ausländischen Teilnehmer — seien dies nun technische Mängel, plötzliche Programmumstellungen oder das unverständliche Übergewicht deutscher Fümbeiträge (von denen die meisten keineswegs „festavalreif“ waren und auf einer nicht-deutschen Veranstaltung nie in das Programm gelangt wären). Dennoch besitzt die Mannheimer Filmwoche eine so ausgewogene Linie, daß es keinen der Teilnehmer gereut haben dürfte, dabei gewesen zu sein ... War es auch keinem, selbst nicht dem unermüdlichsten der anwesenden 180 Journalisten aus aller Welt, die in 26 Ländern 24 Agenturen, 312 Zeitungen und Periodika, 47 Rundfunk- und 21 Fernsehstationen vertraten (wie die Statistik stolz verkündete), und auch anderen Teilnehmer möglich, das Gesamtprogramm der mehr als 101 Filme (53 im Wettbewerb, 39 in den Informationsschauen und neun ,,Filme des Jahres“, dazu Sondervorführungen) in den sechs Filmwochen-Tagen zu absolvieren, so war dies auch nicht notwendig; viele Beiträge machten es leicht, sie zu vergessen, manche dafür bleiben in der Erinnerung bestehen. Ob es sich dabei um Filme aus der „offiziellen Konkurrenz“ oder nur informativ gezeigte handelt, bleibt gleichgültig, da diese Einteilung weder gültige künstlerische Maßstäbe setzte noch sonstige Wertungsvorteüe bedeutete (außer den zweifellos nicht unerheblichen des möglichen Geldpreises für den Filmgestalter im Falle eines Juryentscheides).

Unter die im Gedächtnis haftengebliebenen Streifen der Mannheimer Filmwoche sind in erster Linie der ebenso lyrisch-melancholische wie humanistisch-wertvolle Erstlingsspielfilm von Pierre Jallaud „Une infinie tendresse“ zu zählen, eine bewegende fiktive Dokumentation über zwei debile Kinder in einer Anstalt, wie der polnische, an das graphische Werk von Käthe Kollwitz gemahnende Animationsfilm „Syn“ (Der Sohn) von Ryszard Czekawa, der tschechische Science-fiction-Zeichenfilm „Laokoon“ von Vaclav Mergl über ein außerirdisches Danaer-Geschenk wie die vorzüglich, wenn auch „kommerziell“ gemachte (warum denn nicht?) Chronik aus dem Leben von Joan Baez „Carry It On!“ von Robert Jones; auch der mit Recht mit dem (halben) „Großen Preis“ ausgezeichnete französische, von Bunuel bis zu dem japanischen Filmschaffen beeinflußte und eminent politisch und gesellschaftskritisch orientierte Debutfilm Jean-Pierre Lajournades „La Fin des Pyrenies“ gehört in diese Reihung, was jedoch nicht von dem ebenfalls preisgekrönten deutschen dilettantischen Fernsehopus über eine Darmstädter Rocker-Gruppe „Potoers, Born to Hell“ gesagt werden kann. Hat sich nicht dieser — aus Platzmangel wenigen genannten — Beispiele wegen der Besuch der Filmwoche gelohnt? Darüber besteht kein Zweifel. Darum: Mannheim darf nicht sterben!

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