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RATSELHAFTES ASIEN

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Zum drittenmal fand in Frankfurt am Main eine asiatische Filmwoche statt, die der Bund für Volksbildung veranstaltete. Sie sollte dazu dienen, die inneren und äußeren Bereiche des Lebens der asiatischen Völker zu veranschaulichen und einen Einblick in ihre gegenwärtigen gesellschaftlichen und kulturellen Probleme zu vermitteln. Vierzehn asiatische Länder waren mit rund 60 Filmen verschiedener Gattungen im Frankfurter Programm vertreten.

Die Filme, die teils nach fllmkritischen Gesichtspunkten, teils auch von den diplomatischen Vertretungen in der Bundesrepublik mit propagandistischen Zielsetzungen ausgewählt wurden, geben ein relativ breites Bild vom Filmschaffen in den asiatischen Ländern. Man kennt bei uns zwar Filme aus Japan, etwa von Ichikawa, Kobajaschi, Kurosowa, Mizoguchi oder Ozu und aus Indien von Bimal Roy oder Satjajit Ray, aber das sind bereits die Spitzenleistungen der dortigen Produktionen und vermitteln vom nationalen Charakter dieser bemerkenswert großen Filmländer nur ein einseitiges Bild.

Das gerade ist der Vorzug der asiatischen Filmwoche in Frankfurt. Die dort gezeigten Filme werden kaum jemals in unser Programm zu bringen sein. Sie sind uns fremd; ihre Monotonie,“ ihre Länge, ihr meist feierlich müsikalischer Stil kann uns nur dann zugänglich werden, wenn wir die uns unbekannten Gewohnheiten, Mythen und Stile kennenlernen. Eine ganze Woche mit einer mannigfaltigen Auswahl und verschiedenartigen Informationsmöglichkeiten kommt dem entgegen.

Der indische und japanische Film war am reichhaltigsten vertreten, wie es diesen Ländern auch zukommt, die ja mit ihren Produktionszahlen weitaus führend sind. „Der Ausreißer“ von Ritwik Ghatak und Bimal Roys „Gefangene“ waren eindrucksvolle Beiträge aus der indischen Produktion. Die fremdartige Umwelt und Geisteswelt regt auch dann das Interesse an, wenn die filmischen Mittel konventionell bleiben, oft sogar phantasielos sind, wie auch im „Kuh-Geschenk“ von Trilok Jetly, der mit sozialkritischen Tendenzen die Geschichte eines armen indischen Bauern erzählt, der nie in den Besitz einer Kuh gelangen konnte, dem Sinnbild des Wohlstandes. Ein Experiment wagte Serbjeet Singh mit der „Lawine“. Singh versuchte, mit filmischen Mitteln den geistigen Gehalt von Haß und Liebe zweier Menschen wiederzugeben, die im Kampf mit den Naturgewalten sich selbst überwinden. Ein glaubwürdiger Film, dem man den philosophischen Hintergrund des Geschehens gerne abnimmt.

Westlicher Einfluß machte sich bemerkbar bei den japanischen Beiträgen. In „Hiroshima-Leid“ erzählt Yoshimura die Geschichte eines Reporters, der 17 Jahre nach der Explosion der Atombombe nach Opfern in Hiroshima suchen soll. Dort lernt er ein Mädchen kennen und lieben, aber auch sie ist eines jener Opfer. Yoshimura, der schon aus seinen Filmen „Auf der Erde“, „Nachtschmetterlinge“ und „Shito“ berühmt ist für seine „Sozialkritik mit der Kamera“, hat auch in „Hiroshima-Leid“ realistisch das Leben im gegenwärtigen Hiroshima eingefangen. Auch Imamuras Beitrag „Suekos Tagebuch“ ist sozialkritisch ausgerichtet. Er erzählt vom Schicksal der vier Kinder eines koreanischen Kohlengräbers, die durch den plötzlichen Tod ihres Vaters in Verlassenheit und Not gestürzt werden. Man merkt an der technischen Exaktheit, daß Imamura seine Filme lange vorbereitet und erst dann mit der Arbeit beginnt, wenn alle Einstellungen genau geplant sind. Auch „Suekos Tagebuch“ zeigt die Spuren dieser Feinarbeit.

Der Film „Die Abtrünnigen einer Klasse“ dürfte auch bei uns ein Publikum finden. Wir fragen uns nur, wie Japan „Die scharlachrote Rose“ auf den europäischen Markt bringen will, einen Kriminalreißer, den man als Persiflage auf den westlichen Kitschfilm ansehen könnte, wenn er nicht so schrecklich ernstgemeint wäre.

Die Beiträge Ceylons, Afghanistans, Malaysias und Israels beschränkten sich auf Kultur- und Propagandafilme. Mit großem Interesse wurden die Filmbeiträge aus den asiatischen Republiken der Sowjetunion aufgenommen. Chamraev brachte einen Happy-End-Film, „Er liebt mich, er liebt mich nicht“, der mit zahlreichen (dem Westen abgeguckten?) Gags gespickt war. Im „Stern von Ulug Bek“ erzählt der Usbeke Faiciev mit eindrucksvoller Kameraführung die Geschichte von Ulug Bek, dem Enkel Timurs, der als Wissenschafter gegen die dunklen Kräfte des Aberglaubens ankämpft. Bemerkenswert auch der kirgisische Dokumentarfilm „Das ist mein Land“ und der „Wettstreit“ von Mansurov, der 1964 als Diplomarbeit junger turkmenischer Filmkünstler entstanden ist.

Ausgezeichnet wurde in Frankfurt der kirgisische Film „Die Hitze“, der nach Meinung der Jury am typischsten und besten „die gesellschaftlichen Verhältnisse mit filmischen Mitteln erschließt“ und die Lebensweise des Landes künstlerisch interpretiert. Sicherlich gehört Schepitkos „Hitze“ zu den besten Beiträgen, leicht dürfte der Jury die Wahl nicht gefallen sein.

Es ist zu verstehen, daß die asiatische Filmwoche nicht frei von politischen Akzenten war. Der Irak zog seine Filme zurück, weil „israelisches Filmmaterial“ vorgeführt wurde. Wegen der Teilnahme Israels hatten sich vorher schon Syrien und Jordanien von der Teilnahme zurückgezogen. Die Filme aus Nordvietnam hatte der Interministerielle Ausschuß nicht freigegeben. In der zweiten Instanz wurde der Film „Zehn Jahre Erfolg der Demokratischen Republik Vietnam“ verboten. Entgegen der DPA-Meldung hatte nicht Südvietnam gegen die Vorführung der Filme protestiert.

Ruhe und Zeit ist zum Verständnis der Asiatischen Filmwoche nötig. Hat man sich erst einmal vom „europäischen Filmdenken“ freigemacht, so kann man für manches Verständnis aufbringen, das üblicherweise als langatmig abgetan wird.

Die asiatische Filmwoche ist eine Kulturwoche. Sie sollte nicht nur nach filmkundlichen Gesichtspunkten beurteilt werden. Im Vordergrund steht wohl zu Recht das Bestreben, einen Querschnitt durch das Filmschaffen wie auch die Kultur- und Geisteswelt der asiatischen Länder zu geben. Trotzdem sollte man sich darauf einigen, in Zukunft bei der Auswahl der Filme klarere Maßstäbe anzulegen.

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