6712376-1964_27_06.jpg
Digital In Arbeit

Der Torpedo des Admirals

Werbung
Werbung
Werbung

Es war kein Blitz aus heiterem Himmel, der in diesen Tagen in Bonn für einige Aufregung sorgte. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, der ehemalige CDU- Bundestagsabgeordnete Vizeadmiral außer Dienst Helmuth Heye, schrieb einen Tätigkeitsbericht, in dem er auf bedenkliche Erscheinungen in der deutschen Bundeswehr hinwies. Was Heye schrieb, war vielen bekannt, doch war die Bereitschaft, darüber zu diskutieren, in Bonn sehr gering. Da der Wehrbeauftragte nicht das Recht hat, seine Ansicht vor dem Parlament oder dessen Verteidigungsausschuß zu vertreten, sah Heye seine Warnungen wie die des vergangenen Jahres in den Akten verschwinden. In einer verständlichen Verärgerung schrieb er daraufhin einen Bericht in der Illustrierten „Quick”, der nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrigließ und in der Feststellung gipfelte, die Bundeswehr laufe Gefahr, sich zum Staat im Staate zu entwickeln.

Es ist nicht ganz klar, ob sich Heye der Bedeutung dieses Satzes ganz bewußt war. Staat im Staate nannte man in der Weimarer Republik die Reichswehr. Sie hatte sich unter dem Prätext, unpolitisch zu sein, zu einem der Republik und ihren demokratischen Einrichtungen ablehnend gegenüberstehenden Kader entwickelt, dem viele eine nicht gering bemessene Schuld an dem Scheitern der Weimarer Republik und an der Stabilisierung des nationalsozialistischen Regimes nach 1933 beimessen. Bei der Errichtung der Bundeswehr wurden die im deutschen Volk gegen eine Wiederbewaffnung vorhandenen erheblichen Widerstände nicht zuletzt auch mit der Behauptung überwunden, es werde ein völlig neuer Geist in die Bundeswehr einziehen, der die Entwicklung zum Staat im Staate unmöglich fnachen werde. Der politisch verantwortlich denkende und in seiner Würde respektierte Bürger in Uniform sei das künftige Ideal. Heyes unbedachtes Wort vom Staat im Staate mußte daher Staub aufwirbeln. Er selbst hat es inzwischen so interpretiert, daß er von einer Isolierung habe sprechen wollen, in die die Bundeswehr durch ihr Festhalten an alten Gebräuchen geraten sei, das weit von den für die Bundeswehr propagierten Idealen entfernt sei.

Um diese Ideale geht es auch heute. In den ersten Jahren sind sie von den damaligen Obersten Graf Baudissin und Graf Kielmannsegg in grundlegend neuen Richtlinien für die innere Führung festgelegt worden. Man hat sich zu Beginn der Bundeswehr die Arbeit auch nicht leicht gemacht. Ein Prüfungsausschuß von Parlamentariern, Juristen, Publizisten und Wissenschaftlern prüfte die neu eingestellten Stabsoffiziere auf ihre Vergangenheit und demokratische Gesinnung. Nun, nach acht Jahren, behauptet der Wehrbeauftragte, das alles habe nur einen begrenzten Wert gehabt In der Bundeswehr mache sich der alte Geist wieder breit — trotz aller gegenseitigen Versicherungen.

Kein „Zivilist”

Der es sagt, ist selbst ein alter, verdienter Soldat. Als einer der tapfersten Kreuzerkommandanten des zweiten Weltkrieges besaß der schwere, gedrungene Mann legendäres Ansehen in der Kriegsmarine. Am Ende des Krieges war er Kommandant der Kleinkampfverbände (Ein-Mann-U-Boote und dgl.). Er hat dabei, wie der Verfasser aus eigener Anschauung berichten kann, den ihm unterstellten Soldaten einen neuen, selbstbewußten, von blindem Gehorsam weit entfernten Geist einzuflößen versucht, der manche Züge des heute zu verwirklichenden Ideals trug. Es steht fest, daß der heute 69 Jahre alte Admiral von der Notwendigkeit der in der inneren Führung festgelegten Grundsätze überzeugt ist. Seine Flucht in die Öffentlichkeit ist daher ganz gewiß nicht skurrile Eigenwilligkeit, sondern ein zwar ungeschickter, aber von ihm als bitter notwendig erkannter Schritt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung