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Machtkampf mit den Militärs

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Die geladene Atmosphäre um die Bundeswehr ist zwar durch das kürzliche Gewitter entspannt, aber nicht bereinigt worden. Denn die Unglücksserie der Starfighter-Flugzeuge war nicht der tiefste Anlaß der Krise. Gewiß hat sich im Zusammenhang mit den Starfighter- Abstürzen gezeigt, daß die Bundeswehr für ein derart hochgezüchtetes

System von Flugzeugen nicht genügend vorbereitet war. Es ist aber offensichtlich auch nicht rechtzeitig in vollem Umfang erkannt worden, daß hierin die tiefste Ursache der allgemein wie eine Katastrophe empfundenen Unglücksfälle lag. Nicht allein technische Gründe und menschliches Versagen, sondern wesentlich auch Führungsfehler haben eine wichtige Rolle gespielt, oder, moderner ausgedrückt: Fehler im Management.

Aber das war lediglich der letzte Anstoß zum Rücktritt der Generale. Blitzartig leuchtete dies auf, als die Zeitungen berichteten, der bisherige Generalinspektor Trettner habe dem Bundesverteidigungsminister „Forderungen gestellt“. Ein alter, erfahrener Politiker sagte daraufhin, er hätte sich an Stelle Hassels und des Bundeskanzlers den General kommen lassen, um ihm zu erklären, er habe keine Forderungen zu stellen, sondern Vorlagen auszuarbeiten.

Alte Hypotheken

Der unterirdische Krieg und die „Forderungen“ der Generäle finden seit Jahren statt. Zum erstenmal ist er wohl einem kleinen Kreis sichtbar geworden, als der frühere Staatssekretär Hopf, jetzt Präsident des Bundesrechnungshofes, gegenüber General Heusinger darauf bestand, an Stelle des verhinderten Verteidigungsministers die Front einer Ehrenkompanie abzuschreiten. Heusinger war der Meinung gewe sen, daß es seine Sache sei, in solchen Fällen den Minister zu vertreten. Später erschien Heusingers Nachfolger Foertsch eines Tages bei Hopf, der gerade den Bundesverteidigungsminister Strauss vertrat, mit einer Denkschrift, die stärkeren Einfluß der Generäle im Ministerium forderte. Hopf hat dem Vernehmen nach die Denkschrift zwar einge sehen, jedoch kurzerhand zurückgegeben.

Bei diesen Gelegenheiten wurde sichtbar, daß die Bundeswehr die Vergangenheit der deutschen Armee und ihres Generalstabes noch nicht bewältigt hat. Welche außerordentliche Aufgabe ihr mit dieser Bewältigung gestellt war, das haben einige Generäle schon in der ersten Stunde vor Augen gehabt. Der General Baudissin und der nunmehrige Generalinspekteur de Maiziere gehörten zu ihnen. Sie haben daher das Leitbild des „Bürgers in Uniform“ geschaffen, das dem Aufbau einer neuen deutschen Armee einen ethischen Rückhalt bieten sollte. Aber es ist nicht zu übersehen, daß die Bundeswehr allzu viel hinter sich bringen mußte. Da war der meist sehr überschätzte Seeckt, der nach dem ersten Weltkrieg die Reichswehr zu einem Instrument ihrer selbst machen und alle Maßstäbe für sie aus soldatischem Denken herleiten wollte. Da War die Wiederaufrüstung unter Hitler, darauf die furchtbare Niederlage, darnach die weltweite Verfemung, und sodann abermals die Wiederaufrüstung und die Wehrpflicht. Die jungen Soldaten schieben in ihrer Mehrzahl diese Probleme einfach beiseite. Aber dennoch ist die Diskussion hierüber in der Bundeswehr natürlich lebendig, nicht zuletzt bei jenen Offizieren, die noch die Tradition der deutschen Wehrmacht kennen und der Meinung sind, sie müsse fortgepflanzt werden.

licher, mit Verteidigungsfragen und -aufgaben befaßter Ministerien zu koordinieren hat.

Der schweigende Kanzler

Zu allem Unglück kam die Krise im Verteidigungsministerium zu einem Zeitpunkt, in dem sich - die Bundesregierung und die führende Regierungspartei nicht in bester Verfassung befinden. In der deutschen Öffentlichkeit ist daher vielfach vermißt worden, daß der Bundeskanzler in den entscheidenden Tagen nicht selbst ein klares und weisendes Wort über den Standort der bewaffneten Macht in der Gesellschaft der Bundesrepublik gesagt hat. Aber dergleichen ist wohl Erhards Sache nicht. Es ist schwer zu durchschauen, welchen Standpunkt er in den Punkten, um die die Krise kreißt, einnimmt. Er hat lediglich erkennen lassen, daß er nicht bereit sei, Herrn von Hassel als Verteidigungsminister zu entlassen.

Diese Stellungnahme ist aber fraglos nicht allein beeinflußt durch Erhards Urteil über die Krise und deren Ursachen, sondern nicht zum wenigsten durch die Spannungen, in denen die Bundesregierung lebt, und die Verklammerungen, durch die sie zusammengehalten wird. Ein Ausscheiden Hassels aus seinem Amt müßte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Art Erdrutsch nach sich ziehen. Eine Umbildung des Kabi- nettes Erhard könnte den Kanzler selbst unmittelbar treffen. Darum geht Erhard an den Gedanken einer Kabinettsumbildung nur mit allergrößter Zurückhaltung heran. Er hat auch seinen treuesten Gehilfen und Freund Westrick erst nach langem Zögern entlassen. Schließlich ergriff Westrick, dessen Ablösung von vielen Seiten gefordert worden war, selbst die Initiative. Er hatte nachgerade den Eindruck gewonnen, er würde möglicherweise eines Tages diese Initiative nicht mehr in der Hand haben, weil Erhard ihn fallen lassen würde.

Es kennzeichnet die Lage der Koalition, daß in der Bundestagsdebatte, die durch die Starfighter- Affäre ausgelöst war, zwar die Angriffe der Opposition energisch zurückgewiesen wurden und der sozialdemokratische Antrag, Erhard zur Entlassung Hassels aufzufordern, abgelehnt wurde. Aber in der Debatte war kein Wort direkten Eintretens zugunsten des Ministers zu hören, der im Kreuzfeuer stand und der der Opposition als Zielscheibe diente, um die CDU und die Regierung aufzusprengen. So bot die CDU den Anblick eines alten, vielbewährten, noch immer seetüchtigen Schlachtschiffes, das diesmal, aus allen Rohren feuernd, gerade noch das Kampffeld behauptete. Aber wie viele Treffer sie erhalten hat, wie tief diese Treffer eingedrungen sind und wie weit sie sich reparieren lassen, das kann erst die für Erhard ungewisse Zukunft erweisen.

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