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„Schwarzer Löwe“ an der Donau

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„Als unmittelbarer Nachbar der Warschauer-Pakt-Staaten muß die Bundesrepublik aus den jüngsten Ereignissen in der Tschechoslowakei auch nationale Folgen ziehen“, erklärte der Inspekteur des Heeres der Bundeswehr, Generalleutnant

Moll, auf einer gelegentlich des Bundeswehrmanövers „Schwarzer Löwe“ , in Ulm abgehaltenen Pressekonferenz. Er ließ aber auch gleichzeitig keinen Zweifel daran, daß diese große Übung der im süd- deutschen .Raum liegenden Rundeswehrverbände und der gleichzeitig mit, 4hr-aübep#n „US-am rikapißcU n.;

und. französischen Einheiten keineswegs auf Grund der Anwesenheit starker sowjetischer Kräfte an der tschechoslowakisch-deutschen Grenze veranstaltet wurde. Sie stand auch nicht in irgendeinem anderen Zusammenhang mit den Ereignisgen in der Tschechoslowakei. Der Kommandierende General des II. Korps, in dessen Bereich diese Übung von Großverbänden der Bundeswehr stattfand, gab zu diesem Thema detaillierte Ausführungen. Der Name des Manövers „Schwarzer Löwe“ gehe nicht auf das Wappentier der Tschechoslowakei, sondern auf das Wappen der Stauffenkaiser aus dem Mittelalter zurück. Deren „Schwarzer Löwe“ ist das Truppenabzeichen der im Land Baden-Württemberg garnisonierenden 10. Panzergrenadierdivision.

Geplant wurde die turnusmäßig in Zeitabschnitten durch jedes der drei deutschen Korps anzulegende Übung von Großverbänden bereits im Oktober 1967. Anfang Juni 1968 waren alle Vorbereitungen für diese Übung im östlichen Bayern abgeschlossen, als sich die politischen Verhältnisse in der Tschechoslowakei so zu verändern schienen, daß ein Bundeswehrmanöver im Grenzbereich möglicherweise Auswirkungen auf die innenpolitischen Auseinandersetzungen und Vorgänge in der Tschechoslowakei hätte haben können. Aus diesem Grund verlegte das Bundesverteidigungsministerium am

23. Juli das Manövergebiet um etwa 200 Kilometer weit von der deutschtschechoslowakischen Grenze nach Westen, nach Baden-Württemberg.

Das brachte zunächst für den Lei- tungs- und Planungsstab eine Fülle von Neu- und Mehrarbeit. Denn alle Pläne für die Anlage und Durchführung des Manövers stimmten nicht mehr und mußten für das jetzt in Frage kommende Gelände neu erkundet und festgelegt werden. Zudem war der zuerst vorgesehene Raum um Bayreuth infolge seiner geographischen und industriellen Situation für so ein Großmanöver erheblich günstiger als der neue Übungsraum zwischen Ulm und Stuttgart. Hier gibt es große Indu- striieballungen und ein stark be-

nutztes ziviles Straßennetz sowie umfangreiche Forst- und Landwirt- schaftsgebiete, Weinberge und Trinkwasserschutzbereiche von be- beträchtlichem Umfang.

Die Umstellung bedingte aber auch teilweise eine Neuaufstellung

der Manövertruppen. Bundeswehrverbände aus dem ostbayerischen Raum konnten infolge der politischen Lage und der veränderten militärischen Situation in der Tschechoslowakei nicht im vorgesehenen Umfang in die Manövertruppen eingegliedert werden. Auch wenn Teile

der im grenznahen Raum stationierten 4. Panzergrenadierdivision an dem Manöver „Schwarzer Löwe“ teilnahmen, blieb die Grenze zur Tschechoslowakei doch gesichert, da die grenznahen Einheiten und Verbände nicht aus ihren Garnisonen ausrückten und unter eine einheitlichen Führung durch einen Divisionsstab zusammengefaßt waren.

„Schwarzer Löwe“ wurde nun zu Beginn der zweiten Septemiberhälfte durchgeführt. An diesem für die Verhältnisse der Bundesrepublik und der Bundeswehr besonders großen Manöver nahmen rund 42.000 Soldaten, etwa 13.000 Radkraftfahrzeuge sowie 1600 Panzer aller Art und 131 Hubschrauber teil. Die Luftwaffenverbände flogen während des fünf Tage ' dauernden Manövers etwa 4000 Einsätze — eine Zahl, die auch dem Laien eine ungefähre Vorstellung davon gibt, welche Arbeit die Herstellung der zivilen und militärischen Luftsicherheit den Manöverplanern gemacht hat. Die Manövertruppen stellten nicht nur das II. Bundeswehrkorps und die deutsche Luftwaffengruppe Süd, sondern auch die US- und die französische Armee: die im süddeutschen Raum stationierte 2. Brigade der 4. (US-) Panzerdivision und das in Pforzheim garnisonierende 3. Husarenregiment der französischen Armee. Der Einsatz der US-Brigade im „Schwarzen Löwen“ trug dem Grundsatz Rechnung, daß Großverbände nicht nur unter wechselnden Divisionskommandos, sondern auch unter verschiedenen NATO-Kommandos ausgetauscht werden können.

Die bei relativ gutem Wetter durchgeführte Übung entlang des Oberlaufs der Donau dürfte der

Führung eine Reihe von wichtigen Erkenntnissen gebracht haben, die um so wichtiger für die Ausbildung der Bundeswehr sein werden, als solche Großverbandsübungen in der Bundesrepublik aus den verschiedensten Gründen nur selten stattfinden 1 können. Den besonderen' Akzent erhielt der „Schwarze Löwe“ m bnu cbiicseioni JisrfoaifaeeO

jedoch durch die das yjände durchschneidenden vielen großen und kleinen Wasserläufe. Deshalb sah der Ubungsaiblauf an mehreren Tagen das Überqueren von Flüssen vor, von denen die Donau der größte war. Die in Süddeutschland

herrschenden Wasserverhältnisse bedingen eine sechs bis acht Stunden dauernde technische Vorbereitung einer solchen Flußüberquerung. Der Übergang geht dann aber ungewöhnlich schnell vonstatten.

Störmanöver ohne Wirkung

Eine ausgezeichnete Haltung zeigte die Truppe. Sie nahm nicht nur die Strapazen einer Woche ohne viel Schlaf auf sich, sondern vollbrachte auch höchst respektable Marschleistungen: So legte ein Verband von einem Morgen bis zum nächsten Mittag 90 Kilometer zurück und setzte dabei noch über die Donau. Auf dem anderen Ufer angekommen, mußte die Brigade aus taktischen Gründen in einem anderen Raum eingesetzt werden und legte darauf bis zum Mittag des folgenden Tages einen Marsch über eine Strecke von 170 Kilometern zurück. Die Behauptung, in der Bundeswehr würden die Soldaten unter dem Einfluß der „inneren Führung“ nicht zu leistungsfähigen und leistungswilligen Soldaten ausgebildet, wurde durch diese Leistung, an die sich viele andere anschilossen, widerlegt.

Von kommunistischer Seite angekündigte Störversuche des Manövers blieben entweder unbemerkt oder verpufften wirkungslos. Junge Mädchen in besonders knappen Miniröcken, die die Soldaten ablenken sollten, damit Sabotagetrupps unbemerkt die Kabelverbindungen wichtiger Stäbe zerschneiden könnten, ließen sich zum Bedauern der jungen Männer nicht blicken. Eine Reihe von kommunistischen Propagandaraketen, die Flugblätter gegen den „Schwarzen Löwen“ verschießen sollten, wurden außerhalb des Manövergebiets abgeschossen und trafen allein deshalb schon nicht „ins Schwarze“. Aber nur vier dieser Raketen mit etwa 3000 Flugblättern wurden ordnungsgemäß „aus der Luft verteilt“. Bei zwei weiteren versagten die Zeitzünder, mit denen die Sprengsätze entzündet werden sollten.

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