
Korn-Krise: Die Getreidetransporte aus der Ukraine belasten die Nachbarländer
Der Konflikt rund um die Einfuhr ukrainischen Getreides nach Polen und in andere angrenzende Staaten könnte massive Folgen haben – er zeigt erstmals die Grenzen der Belastbarkeit von Kiews EU-Verbündeten.
Der Konflikt rund um die Einfuhr ukrainischen Getreides nach Polen und in andere angrenzende Staaten könnte massive Folgen haben – er zeigt erstmals die Grenzen der Belastbarkeit von Kiews EU-Verbündeten.
Sie sind zehntausende, und sie sind wütend: Polnische Landwirte haben in den letzten Wochen landesweit und öffentlichkeitswirksam gegen die zollfreien Einfuhren von ukrainischen Agrargütern, vor allem von Getreide, protestiert. Zuvor schon hatten ihre Verbände monatelang beklagt, dass die polnischen Bauern auf vollen Getreidesilos sitzen, weil ukrainischer Weizen den Markt geflutet habe. Anfang April dann zeigten die Proteste und Straßenblockaden Wirkung: Polens Regierung der rechtskonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) kündigte zunächst Verhandlungen mit der Ukraine an, um am 15. April dann für einen Paukenschlag zu sorgen. Warschau verhängte für Getreide ein Einfuhrverbot bis Ende Juni dieses Jahres und für mehr als ein Dutzend weitere Produkte aus der Ukraine wie Gemüse, Eier und Geflügel.
Dem Schritt folgten auch die Slowakei und Ungarn. Sie verletzten damit wahrscheinlich geltende EU-Verträge, die die Regelung von Ein- und Ausfuhren in und aus der Union in der Hand Brüssels belassen. „Wir sind und bleiben ohne die geringsten Änderungen Freunde und Verbündete der Ukraine“, sagte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski zur Begründung. Doch es sei Pflicht jeder Regierung, für die Interessen der eigenen Bürger zu sorgen. „Und es ist nicht im Interesse unserer ukrainischen Freunde, dass Polen in die Krise stürzt und hier Leute an die Macht kommen, die diese Politik der radikalen Unterstützung für die Ukrainer ändern.“
Zwar hat Polen wenige Tage später doch noch einen Kompromiss mit der ukrainischen Seite geschlossen. Der polnische Agrarminister Robert Telus sagte Anfang der vergangenen Woche, der Transit werde wieder aufgenommen. Allerdings dürfe keine einzige Tonne Getreide mehr in Polen verkauft werden, es werde daher in verplombten Containern transportiert. „Es wird eskortiert und durch das SENT-System überwacht“, sagte Telus. EU-Kommissionssprecherin Ferrer kommentierte, man begrüße den Kompromiss. Zugleich kritisierte sie nochmals den vorherigen Alleingang Polens und der anderen Staaten als „inakzeptabel“. Inzwischen hat die EU-Kommission zugestimmt, die Einfuhr von Weizen, Mais sowie Sonnenblumen- und Rapssamen aus der Ukraine in die vier Staaten sowie nach Rumänien einzuschränken.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!
