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Abschied von gestern
Es ist ein eigenartig zwiespältiger Film, dieses Erstlingswerk des jungen deutschen Regisseurs Alexander Kluge. Es ist natürlich nicht sein erster Film, er fiel bei manchen Kurzfilmfestivals mit eigenwilligen Streifen auf, doch nun wagte ers ich an einen Spielfilm, der aber keineswegs ein Spielfilm im üblichen Sinne geworden ist. „Abschied von gestern“ wird nicht von der Handlung getragen, sondern von der Zeit, in der wir leiben. Der Handlungsfaden läuft gleichsam nebenher, ist irgendwie der Aufhänger für den Bericht über unsere Gegenwart. Und wie sieht Alexander Kluge, nebenbei auch Doktor juris, unsere Zeit? Dieses Bild scheint auch das Anliegen des Films. Es ist die versachlichte Gesellschaft, unfähig einer echten Liebe und Menschlichkeit, die seine Hauptdarstellerin erlebt. Immer schärfer zeichnet sich das Bild dieser brüchigen Welt ab, die es einfach nicht fertigbringt, Geborgenheit zu bieten. Immer wieder stößt sie zurück, ist bar jeder Bereitschaft, die Mauern der eigenen Konvention zu überspringen. Man erfriert in dieser Welt, die verlernt hat menschlich zu sein. Dies alles aber wird nicht in einer anklagenden Handlung dargestellt, sondern eher blitzlichthaft dargeboten. Die Krankenschwester Anita G., Jüdin und Flüchtling aus der deutschen Ostzone findet keinen Anschluß an diese Gesellschaft im sattesten Westen des Wirtschaftswunders und kommt unweigerlich mit den konventionellen Gesetzen in Konflikt. Scheinbar willkürlich werden Szenen, Gespräche und Episoden aneinandergereiht, die insgesamt ein bestürzendes Bild ergeben. So anspruchsvoll eigenwillig dies alles dargestellt wird, formal fast Ohne Ambition, so steckt dahinter natürlich ein Sinn, es soll wie ein Dokument wirken, dem Leben und der Zeit abgeschaut, ungestellt und ungeschminkt. Diesen Eindruck zu erwecken gelingt Kluge. Er kommt zu einem negativen Resultat in seiner Analyse unserer Welt, großartig unterstützt von seiner Schwester Alexandra Kluge als Hauptdarstellerin. Der Streifen regt zum Nachdenken an, seine Gesellschaftskritik ist legitim, doch stimmt wirklich alles, was gesagt und gezeigt wird? Ist wirklich unsere Zeit schon so bankrott und ohne Hoffnung? Ist nicht auch diese Resignation gefährlich? Es ist das uralte Problem des Dokumentarhaften, das durch seine Auswahl schon wieder zur einseitigen Lüge werden kann. Es ist gut, wenn es Mahner gibt, die gegen allzu satte Selbstzufriedenheit ankämpfen, wunde Stellen auzuzeigen und damit konfrontieren, aber wem nützen sie, wenn sie immer gleich Weltuntergangstimmung verbreiten, unsere Existenz in Frage stellen und keinen Ausweg und Anfang mehr für möglich halten?
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