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Wolfgang Wagners „Lohengrin“

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Bayreuth, Ende Juli 1953 Wieland, der Schmied des neuen Bayreuth, hat während der letzten zwei Jahre „Tristan“, „Par-sifal“ und „Ring“ neuinszeniert. Er fand Anerkennung und stieß auf Ablehnung. Die junge Generation — auf diesen Nenner könnte man es bringen — zollte ihm Beifall, weil er die Mittel des modernen Theaters nützte, die Alten schrien (bis auf wenige Ausnahmen) „Verrat“, weil sie Richard Wagners Regievorschriften doktrinär behandelt haben wollten. Noch stehen seine erneut abgeänderten Inszenierungen des Jahres 1953 auf dem Spielplan. Die Eröffnung der diesjährigen Bayreuther Festspiele brachte jedoch die erste Regie- und Bühnenbildnertat des jüngeren Enkels, Wolfgangs, den wir bisher nur als korrekten, fleißigen Organisator kennengelernt hatten. „Lohengrin“ ist keine Problemoper. Aber sie schafft dem modernen Inszenator Kopfzerbrechen. Heikle Dinge, wie das Kommen des Schwans, Einzelheiten der Brautgemachszene, der Guckbühnen-Volksversammlungen, stehen zur Debatte. Wolf-gang Wagner ..hat sie in durchaus persönlicher Weise gelöst, ohne Rücksicht darauf, ob ihn die einen als Reaktionär, die anderen als Evolutionär bezeichnen werden. Wolfgang suchte und fand die rechte Mitte zwischen Althergebrachtem und Erneuerungsbedürftigem. Seine deutschen Eichen sind wohl vorhanden, sein Schwan naht, aber der Phantasie des Zuschauers ist Freiheit gegeben. Die Nuancierungsmöglichkeiten des Lichtes (und des Dunkels) sind genützt, aber nirgends forciert. Die Akteure haben ihre persönliche Geste, ihre eigene Mimik; aber all das ist sozusagen kammermusikalisch aufeinander abgestimmt. Wolfgang Wagners Regietat ist nirgends sensationell, freilich durchdacht bis in letzte Einzelheiten, harmonisch im Ausgleich der Farben, der Lebendigkeit der Aktion, des Raumes und auch des Symbolhaften, an dem es ja in Wagners Werk niemals mangelt. „Lohengrin“ nimmt die vorjährige Stellung der „Meistersinger“ ein (nur in weitaus persönlicherer Schau): Wolfgang Wagner kann da von keinem Gutwilligen abgelehnt werden, die Diskussion ruht bis zum nächsten „Parsifal“, bis zum „Tristan“ und zur Tetralogie. Und das ist gut so, weil diese Regisseurhaltung dem gewählten Werk entspricht, weil „Lohengrin“ — wie im kommenden Jahre

vielleicht „Tannhäuser“ — neben den späteren Werken richtig placiert erscheint; auch im Hinblick auf die Debattenfreudigkeit des Publikums, dem man einen sorglosen Abend zur Entspannung gönnen muß. Letztlich kommt aber auch die An-setzung solcher Werke (dazu werden einmal „Fliegender Holländer“ und „Rienzi“ gehören) WolfgangWagnersSpezialbegabung entgegen, Gegensätze zu mildern, Situationen des ruhevollen Genusses zu schaffen.

Musikalisch war das Werk bei Joseph Keilberth in besten Händen. Orchester und Chor band er in fester Einheit zusammen und gab der Romantik des Werkes ohne süßliche Verweichlichung des harmonischen Gefüges Raum. Die stärkste Sängerpersönlichkeit: Astrid Varnay als Ortrud. Tenor: Wolfgang Windgassen. Eleanor Steber, Hermann Uhde, Josef Greindl und Hans Braun, ein Solistenensemble von beachtlicher Qualität!

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