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Abtreibung im siebenten Monat

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Vorige Woche ging ein Prozeß über „eine Abtreibung im siebenten Monat“ mit Schuldsprüchen fiir alle Angeklagten zu Ende.

An Hinweisen auf das sonderbare Verhalten der Frauenärztin, die die Schwangerschaft erst im sechsten Monat erkannt haben will und die keine Kartei über ihre Kassenpatientinnen führt, fehlte es nicht. Auch die entsetzliche und

unsachgemäße Behandlung, die der Frau widerfuhr, erhielt breiten Raum. Zu Recht.

Was aber gar nicht erwähnt wurde, war das Kind, sein Leidensweg, sein Martyrium, sein Recht auf Leben. Wenn von ihm die Rede war, dann nur als von etwas selbstverständlich zu Beseitigendem, einer unbequemen Nebensache. Das Kind, es war ein Bub, der lebend zur Welt kam, war aber die am schwersten betroffene Person.

Der Bub kam lebend zur Welt, somit handelte es sich also um eine Frühgeburt, auch wenn sie in ab-treiberischer Absicht herbeigeführt wurde. Das Kind kam also im Spital zur Welt. Obwohl man im Krankenhaus Lainz offensichtlich sehr gut wußte, was eigentlich geschehen war, erstattete niemand Anzeige.

Auch in der Kinderklinik Glan-zing, in die das Kind eingeliefert wurde und in der es nach vier Tagen starb oder - wie in einem anonymen Brief an den Richter behauptet wird - gestorben wurde,

schöpfte man keinen Verdacht. Anzeige erstattete letztlich ein unbeteiligter Dritter, einer, der Zivilcourage hat.

Aber was war denn dem Kind alles widerfahren, bis es zur Welt kam? In der Hoffnung auf eine medizinische Indikation wurde es im Mutterleib Röntgenstrahlen ausgesetzt. Als das keine medizinische Indikation ergab, setzten die Abtreibungsbemühungen sei-

tens eines Lungenfacharztes und eines praktischen - bereits einschlägig gerichtsbekannten - Arztes ein.

Da wurde nun ein Krebsmittel verabreicht, das so gefährlich für den Fötus ist, daß es über die Auswirkungen auf diesen und seine ' sich rasch vermehrenden Zellen keine Untersuchungen gibt.

Der Anwalt des Kindesvaters hatte dann noch die Stirn zu sagen, man müsse doch Verständnis haben, es sei die Rede von einem geschädigten Kind gewesen! Außerdem lag noch ein Milderungsgrund vor: Von allem Anfang an war es ausgemacht gewesen, bei Schwangerschaft würde eine Abtreibung durchgeführt werden. Es sei nicht Schuld der Mutter gewesen, daß die Schwangerschaft so spät erkannt wurde.

Das stimmt offensichtlich. Daß es einem logisch denkenden Menschen nicht ganz einsichtig ist, daß das, was im Jänner erlaubt, im April verboten ist, stimmt leider auch.

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