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… den Indem ein Inder

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Zuerst war es wohl die Erwartung faszinierender Exotik, die dem Vortrag und den Yoga-Kursen des Mönchs aus Indien so großen Zulauf sicherte. Nie bisher konnte eine Veranstaltung in den Räumen der Katholischen Akademie so viele Teünehmer aufweisen. Aber es ging keiner weg, als er erkannte, daß hier ganz anderes, viel Tieferes, geboten wurde.

Der Generalsekretär der Päpstlichen Missionswerke in Österreich, P. Dr. Jakob Mitterhofer SVD hatte vor zwei Jahren auf einer Indienreise P. Francis Acharya in seinem Kloster aufgesucht. Er lud ihn ein, Indien zum ersten Mal seit 20 Jahren zu verlassen, um in Österreich Vorträge und Kurse zu halten. P. Francis drückt es anders aus: Wir leben in einer Zeit, die immer mehr dazu übergeht, die Notwendigkeit des Teilens zu erkennen. Und um zu teilen und um mitzuteilen ist er gekommen: er will den Schatz seiner Erfahrung teilen.

Wir sind gewohnt, das Teilen mit Indien von einer anderen Warte her zu sehen, die Brieftaschen zu öffnen, wenn ein indischer Missionar nach Europa kommt. Hier ist es anders. Acharya will hektische Europäer an der Mystik, an der Konzentration, an der Tiefe indischer Religiosität teilhaben lassen. Er will dazu beitragen, daß der Dualismus der Wohlstandsgesellschaft wieder in eine große Einheit einmündet. Er sieht den Dualismus als den Zwiespalt zwischen Welt und Gott, zwischen Arbeit und Gebet, zwischen Alltag und Sonntag. Er will einfach, daß der Mensch seine eigene Tiefe auslotet Der Inder als Inder - der Europäer als Europäer. Kann uns Europäern das gelingen?

P. Francis Acharya ist Europäer. Vor über 40 Jahren trat er in Belgien in ein Trappistenkloster ein. Damals schon wollte er in Indien Mönch werden, doch war es nicht möglich, eine Niederlassung in Indien zu gründen. Nach vielen Schwierigkeiten erreichte P. Francis die Erlaubnis seiner Ordensoberen, allein als Mönch in Indien zu leben. 1955 kam er nach Indien und schloß sich dort zuerst zwei christlichen Mönchen an, die in einer Einsiedelei lebten. Ein Jahr später wurde ihm ein unfruchtbares Gebiet im Gebirge Keralas geschenkt, hier, auf dem Kurisumala (Kreuzberg) errichtete P. Francis sein Kloster ganz im Stil eines indischen Ashram.

Der in Indien lebende Schweizer Botschafter und Religionswissenschafter J. A. Cuttat vergleicht diese Klostergründung mit der Tat eines heiligen Benedikt. Sie bedeutet - ganz im Sinne des Konzils - den Reichtum der heimischen Tradition eines Landes in das Christentum aufzunehmen und zugleich dem Inder einen neuen Zugang zum Christentum zu ermöglichen. Der Inder verlangt von seinen geistlichen Lehrern absolute Unabhängigkeit von materiellen Werten, eine Bedürfnislosigkeit, die nichts mit verkrampften Kasteiungen zu tun hat, sondern zur Freiheit führt.

Wenn P. Francis das orangefarbene Gewand des Guru in der heiligen Farbe Indiens, in der Farbe des Verzichts trägt und barfuß geht, ist das nur ein äußeres Symbol der Anpassung. Im Kurisumala-Ash- ram sind Bedürfnislosigkeit und Gastfreundschaft miteinander verbunden. Jeder Mönch und auch jeder Gast arbeitet einige Stunden am Tag in der Landwirtschaft, und die Wüste ist zur ertragreichen Plantage geworden. Es gibt keine Klausur in Ashram, jeder ist willkommen, ob er Christ, Hindu oder Moslem ist. Neugierige kommen nicht, dazu ist das Ashram zu entlegen. Es kommen viele junge Christen aus Europa und Amerika, die von der indischen Mentalität gefesselt sind. In Kurisumala erleben sie, daß sie das Gesuchte auch in ihrer eigenen Religion finden können …

Im Prälatensaal des Schottenstiftes feierte P. Francis die Eucharistie in indischer Liturgie im sy- risch-malankarischen Ritus. Immer wieder ertönt der Gesang des uralten Sanskrit-Gebetes „Om Santhi”, dieses Gebetes, das unseren Friedensgruß „Pax Domini” in mystische Tiefen ausweitet. Der Duft von Räucherstäbchen und Blumen erfüllt den Raum, als das Schlußgebet gesungen wird:

Om swayambhuve nama- ha…

„Om, wir beten Dich an, unerschaffenes Wesen!

Om, wir beten Dich an, Du Gott-Mensch!

Om, wir beten Dich an, Du Heiliger Geist!

Om, Friede, Friede, Friede!”

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