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HINDUISMUS UND CHRISTENTUM. Eine Einführung. Herausgegeben von Josef Neuner. Herder-Verlag, Wien-Freiburg i.Br. 250 Seiten. Preis 135 S.

Es ist erfreulich, wenn sich hinter Bescheidenheit mehr verbirgt als der Wunsch, mindere Leistungen an den Mann zu bringen. Erfreulich, ein Buch zu finden, dessen Autoren, jesuitische Missionare, so wenig versprechen und so viel halten.

Ohne aus der Aktualität des Themas Kapital zu schlagen, versuchen sie, mit diesem Buch selbst an der Auseinandersetzung zwischen Hinduismus und Christentum teilzunehmen. Der Hinduismus hat, im Gegensatz zum Christentum, keine feste und einheitliche Lehre; es ist vielmehr ein unglaublich komplexer Irrgarten von Glaubenswegen. Trotz größter Knappheit gibt die Darstellung durch die doppelte Betrachtung seines historischen Werdens und auch seiner systematischen Entfaltung beziehungsweise Verflechtung einen guten Einblick, verwirrt aber nie. Brauchtum, Sekten, Literatur und 'Philosophie, alltägliches und heiliges Leben, der ganze Einfluß dieser Religion auf das indische Wesen wird uns gegenübergestellt und macht uns staunen. Am Ende jedes der in sich geschlossenen Kapitel christliche Würdigungen. In ihnen wird klar: Christentum in Indien heißt Aufbau auf der Fülle und dem Reichtum des Vorhandenen, des Brauchbaren.

Kein Zweifel, die Auseinandersetzung zwischen Hinduismus und Christentum betrifft unser Eigenstes, und die Kirche wird stark gewandelt aus ihr hervorgehen. Überall in diesem Buch ist die Bereitschaft spürbar, erst von den Indern zu lernen, bevor man darangeht, ihnen zu predigen. Die Methode der Kirche in diesen Dingen ist bekannt; wo es hart auf hart geht, kommt man dem anderen mit seinen eigenen Mitteln und Argumenten bei; der Hirtc scheut sich nicht, den

Schafspelz überzuziehen, wenn er nur die Herde heimholen kann. Substanz und Auftrag bleiben jedoch gewahrt. Einer der seltenen Fälle, wo sich Armut im Geiste mit Schlauheit paart.

Was dabei für Indien selbst geleistet wird, sollte keineswegs unterschätzt werden. Vielfach wurde der Anschluß an die eigene Tradition, besonders von gebildeten Indern, verloren. Das entstandene Vakuum zieht westliche Ideen an und speit ie unverdaut oder gräßlich entstellt wieder aus. Krise und Zwiespalt zwischen dem Nichtmehr und Nochnicht lassen den Inder nach Auswegen suchen. Leider sind gerade die Holzwege die ausgetretensten. Ehrliches Bemühen um eine zeitgemäße Religiosität nimmt Zuflucht zu synkre-tistischen Verwässerungen der eigenen Überlieferung, wenn zum Beispiel ein so fähiger Kopf wie Rndhakrishnan des Hin-diii=mns alte Schriften in Unkenntnis des Sanskrit und ehr verwestlicht interpretiert. Das Borgen aus den abendländischen Entwürfen kann aber nie das ersetzen, was im eigenen Substanzschwund verlorenging. Während bei den Massen die soziale Unzufriedenheit noch weitgehend durch die Religion gebannt ist (trotzdem die kommunistische Partei eine der stärksten ist), gibt es nichts, was die geistige Unzufriedenheit der oberen Schichten in Schach hält. Alles drängt zum Aufbruch; Indien pocht an den Toren zur Weltmacht, und doch ist es entgegen allen Anstrengungen noch nicht gelungen, den umgestürtzten Karren aus dem Straßengraben herauszuziehen. Da ist geistiges Verstehen und menschliches Eingehen, wie es von den Missionaren, zumindest dem Buche nach zu schließen, oft musterhaft demonstriert wird, mindestens ebenso bedeutungsvoll für das Gelingen des Unternehmens, wie materielle Unterstützung.

Man will kaum sagen, wo etwas hätte besser gemacht werden können. Es gibt mch kaum etwas. Eine Gefahr ist vieleicht die. den Geist und die komplizierte Religiosität Indiens scholastisch zu deuten. Die Gelegenheit ist verführerisch: es gibt aum eine Religion, die im Scharfsinn und n der Frömmigkeit der christlichen gleich ihnlich wäre. Trotz dieser großen Affini-:ät. gerade durch sie, fallen feine Unter-;chiede und manch Spezifisches am Hin-iuismus unter den Tisch. Man sollte sie licht liegenlassen, das heißt, man sollte jei weiterem Forschen auch der eigenen Methode und dem Selbstverständnis gegenüber etwas kritischer sein. Scholastik leistet da nicht alles.

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