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Einst „Gerumpel“, nun hochgeschätzt

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Der vielgeschmähte Tourismus zerstört nicht nur. Er hilft auch mit, den Einheimischen bewußt zu machen, welchen Wert manches darstellt, was sie früher nicht so recht zu schätzen wußten.

Einerseits verdanken wir ihm manchen scheußlichen Neubau, andererseits trägt er dazu bei, daß sich die bäuerliche Architektur beziehungsweise das, was davon noch übrig ist, immer größerer Wertschätzung erfreut.

In großen Teilen des Bundeslandes Salzburg ist sie auch heute noch ein prägender Teil der Kulturlandschaft. Das rapide Dahinschwinden ist stark abgebremst, viele Bauern überlegen heute zweimal, ob sie wirklich ihren schönen alten Hof einem Neubau opfern sollen.

Diese steigende Wertschätzung von Bauten, die vor wenigen Jahrzehnten noch kaum beachtet wurden, ist einer jener Faktoren, die auch den Salzburg-Band des neu bearbeiteten Dehio, des Handbuches der Kunstdenkmäler Österreichs, anschwellen ließen -von 135 Seiten im Jahr 1963 auf nun 752 Seiten.

„Der Dehio“ ist kein Nachschlagewerk nur für Fachleute. Handlichkeit und Preis machen ihn zum Kunstreiseführer für den Österreicher, dem er nicht nur auf Reisen wertvolle Dienste leisten kann. Er schärft uns den Blick für das Detail, für oft übersehene Dinge. Unter den neu aufgenommenen „Denkmälern“ sind, neben Wohnbauten des Historismus und Jugendstils, Fabriksobjekten und ähnlichem, auch viele bemerkenswerte Bauernhäuser — wobei die Aufnahme nicht unbedingt heißt, daß das betreffende Objekt unter Denkmalschutz steht.

Ein einleitendes Kapitel über Salzburgs bäuerliche Baustile kann auch Leuten nützlich sein, die auf „landschaftsgerechtes Bauen“ Wert legen, darunter aber nicht die vom Neusiedler bis zum Bodensee eingerissene, fälschlich für „landschaftsgerecht“ gehaltene Sammlung aus dem Zusammenhang gerissener bäuerlicher „Architekturelemente“ verstehen.

Es gibt nicht einmal einen Salzburger bäuerlichen Baustil. Im Lungau baute man etwa völlig anders als nördlich des Alpenhauptkammes, aber in naher Verwandtschaft zu niederösterreichischen oder Murtaler Bauformen.

Nicht nur die Verschiedenheit der von der Natur angebotenen Materialien ist dafür verantwortlich. Klar, daß sich zum Beispiel ein reichliches Angebot an Bruchstein auf die Bauweise auswirkt. Aber im Salzburgischen trafen Kulturen aufeinander, so daß sich zwei große, sich vielfach überschneidende Traditionen unterscheiden lassen: eine solche des Einzelgehöftes und eine der Gruppenhöfe.

Da gibt's also nicht nur den Einhof, wo Wohn-, Stall- und Vorratsbereich unter einem Dach zusammengefaßt sind, und die Gruppenhöfe, wo die Funktionen auf unregelmäßig auf dem Grundstück verteilte Bauten aufgeteilt sind, sondern auch den Zwiehof mit getrennten Häusern für Wohnen und Stallscheune.

Der Dehio schärft den Blick für die grundlegenden, aber auch für sehr feine Unterschiede und gibt Auskunft über alles, was man in einem anspruchsvollen Nachschlagewerk sucht — vom Dom bis zum bemerkenswerten kleinen Marterl. Die kleinen, handlichen Bände versorgen jeden, der Österreich besser kennenlernen und auch verstehen will, was er sieht, mit den notwendigen Informationen.

DEHIO SALZBURG. Die Kunstdenkmäler Österreichs, topographisches Denkmälerinventar. Herausgegeben vom Bundesdenkmalamt. Verlag Anton Schroll, Wien 1986.752 Seiten Text, 29 farbige Ortspläne, 174 Pläne und Grundrisse, Ln-, öS 480,-.

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