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Kunst-Okumene

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Die niederländische Kirche gilt besonders als sorgsame Trägerin einer ökumenischen Gesinnung. Als deren Frucht erfreut sich Holland des Besitzes eines neuen einmaligen Museums in Utrecht mit dem Namen „Reichsmuseum, das Katharinenkloster”. Zwar handelte es sich bei der Entstehung zunächst nicht um religiöse Überlegungen, sondern um die praktische Zusammenlegung mehrerer bereits bestehender kirchlicher Kunstsammlungen, doch darf man nicht übersehen, daß es ohne tatkräftige ökumenische Gesinnung nie zu diesem Projekt gekommen wäre.

Das Museum, das die interkonfessionelle religiöse Kultur der Niederlande zeigen will, umfaßt die Bestände des ehemaligen erzbischöflichen Museums in Utrecht, des bischöflichen Museums in Haarlem und einer altkatholischen Sammlung sowie Kunstschätze der vier übrigen katholischen Diözesen.

Als man feststellte, daß die Kunst der Kirchen der Reformation dürftig vertreten war, kam es 1977 zur Stiftung „Protestantische Kunst”. Verschiedene Gruppen stellten nun Objekte zur Verfügung: die mennonitische Sozietät (eine Wiedertäufer-Gruppe), die evangelisch-lutherische Kirche, die nieder-ländisch-reformierte Kirche.

Die Kunstschätze bleiben weiter im Eigentum der jeweiligen Religionsgemeinschaft und gelten als Leihgaben. Die notwendigen finanziellen Aufwendungen besorgt der Staat, während die Gemeinde Utrecht das erforderliche Areal und die Gebäude bereitstellt und mit Unterstützung des Staates auch für die Restaurierung der Gebäude und die museale Einrichtung aufkommt.

Der um die mittelalterliche Katharinenkirche angelegte Gebäudekomplex wurde durch die Gemeinde Utrecht mustergültig restauriert. Der Komplex um die Klosterkirche mit Kreuzgang, malerischen Türmchen und anmutigen Innenhöfen macht einen sehr ruhigen und beschaulichen Eindruck.

Das Museum ist also keineswegs eine traditionelle Kunstsammlung, sondern eine kunstgeschichtlich geordnete und aufgebaute Kollektion, die die kujtu-rell-religiöse Entwicklung im Querschnitt widerspiegelt: die Christianisierung, die Reformation, die Gegenreformation, die Französische Revolution und damit die Religionsfreiheit, die Moderne. Neben diesem chronologischen Querschnitt wird die kulturell-religiöse Entwicklung gleichzeitig in den verschiedenen religiösen Gemeinschaften sowie auch im privaten Familienleben gezeigt.

Es ließ sich dabei nicht vermeiden, daß der katholische Anteil den breitesten Raum in Anspruch nahm. Tatsache ist, daß dieses Museum gerade dadurch in Europa über die reichste Sammlung kirchlicher Textilien und Paramente verfügt. Anderseits wird auch deutlich, wie die Reformation ihren eigenen Stil und ihre gewachsenen Formen entwickelt und so ihren Stempel auf die Ausstattung des Kirchenraums drückt und gleichzeitig der Bibel und der Predigt den ersten Platz einräumt.

Wie in anderen Privatsammlungen stößt man auch in diesem Museum bisweilen auf Spitzenleistungen der bildenden Kunst, die man hier nicht erwartet hätte. So findet man in Utrecht Werke des Meisters von Delft, Jan von Scorel, Peter Aartsen und Joachim de Beukelaer. Das 17. Jahrhundert ist durch Werke von Bloemaert, Dirc von Baburen, Werner Volkert, Claus Moeyart vertreten. Ferner besitzt das Museum einen kaum bekannten jungen Rembrandt (1626) und ein Porträt des katholischen Pfarrers Stenius, wahrscheinlich eine der schönsten Schöpfungen des Frans Hals (1650).

Wer das ökumenische Klima im heutigen Holland verstehen möchte, findet in diesem Museum eine Erklärung, wie es in diesem Land mit seinen zahlreichen religiösen Absplitterungen und konfessionellen Reibungsflächen trotzdem zu einer Befriedung und einer wahrhaft ökumenischen Gesinnung kommen konnte.

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