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Österreichs längstes Kulturfestival

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Zehn Jahre ist es nun schon her, dafi zum ersten Mai der Name „Carin-thischer Sommer“ das Publikum zum Besuch von musikalischen Ver-anstaltungen in die Stiftskirche Os-siach einlud. Ein zwar nicht alltagli-ches, aber sicher auch kein einmali-ges oder gar erstmaliges Ereignis. Kann doch die Veranstaltung von Konzerten oder szenischen Auffuh-rungen in einer Kirche auf eine lange Tradition verweisen, die in unseren Landern zumindest bis zu den mit-telalterlichen Passionsspielen zu-riickverfolgt werden kann und in der Barockzeit durch das Jesuitentheater einen neuen Hohepunkt erlebte.

Im speziellen war die Initiative Prof. Stingls, des Pfarrers von Os-siach, nicht nur der unmittelbare Grund fiir die Veranstaltung von Konzerten in der Kirche, sondern auch fur die Abhaltung des auf den Ideen Friedrich Guldas basierenden „Musikforums“ in Ossiach aus-schlaggebend, welches seinerseits wieder durch nicht allgemein akzep-tierte Zielsetzung und den Durchfuh-rungsstil der Anlafi fiir das Entstehen des „Carinthischen Sommers“ war.

Dieser, 1969 noch ohne besondere rechtlich konstituierte Basis, aber 1970 als Verein auch behordlich zur Kenntnis genommen, stellte sich fol-gende Aufgaben: „Im Bundesland Karnten mit den kulturellen Veran-staltungen des ,Carinthischen Sommers' ein representatives Kulturfestival zu schaffen und zu erhalten. Die Veranstaltungen sollen die Ge-biete Musik, Sprache und bildende Kunst umfassen, konnen jedoch auch wissenschaftlicher, insbesondere padagogischer Natur sein.“

Damit waren Entstehung, rechtli-che Basis und Aufgabenkreis ge-schildert und fiir den spontanen Le-ser eigentlich nicht besonders viele Merkmale angefuhrt, die den Carin-thischen Sommer von anderen Fest-spielunternehmungen unterschei-den; wurde nicht die Tatsache bestehen, dafi als Hauptauffuhrungsort dieses zwei Monate dauernden Festivals eben primar die Stiftkirche in Ossiach, ein als Gotteshaus in Ver-wendung stehender sakraler Raum, fungiert.

Dies ist aber auch die Ursache, dafi viele Grundsatziiberlegungen ange-stellt wurden: iiber den allgemeinen Lebensstil des heutigen Menschen, seine Horgewohnheiten, seine Ein-stellung zu Kunst und Kultur. Die daraus erarbeiteten Grundsatze tragen nun sehr wohl zu einer Sonder-stellung des Carinthischen Sommers bei und sollen im folgenden genauer dargelegt werden.

Es ist festziihalten, dafi der Mensch unserer Breitengrade weitgehend die Fahigkeit des konzentrierten Zuho-rens verloren hat. Er hort heute wohl viel mehr Musik als in den vergange-nen Jahrzehnten. Er wird mit Musik berieselt. Vom Essen bis zum Arbeitsplatz oder gar im Aufzug. Aber er hort nicht mehr zu. Dieses Zuho-ren wird im Kirchenraum wesentlich erleichtert. Uberhaupt, er betritt den sakralen Raum mit einer grofieren inneren Schlichtheit und Introver-tiertheit, ist innerlich bescheidener und aufierlich ruhiger und stiller.

Mit dieser mehr nach innen gerichteten Einstellung erlebt er nun, fast in „Tuchfuhlung“ mit den Solisten -das Publikum sitzt sehr nahe bei den Kiinstlern - den grofien Star, das grofie Ensemble, das grofie Werk mit nicht alltaglicher Innerlichkeit und Konzentriertheit.

Ein weiteres Spezifikum des Carinthischen Sommers betrifft den Ap-plaus. Quasi aufgeladen von den kiinstlerischen Eindriicken des Kon-zertes, darf der Besucher bei einem Konzert in einem Konzertsaal diese Emotion durch den Applaus abrea-gieren. Ossiach ist einer der ganz we-nigen Orte im deutschsprachigen Raum, in welchem der Applaus auch in einet Kirche gestattet ist. Auch hie-fiir gab Pfarrer Prof. Stingl den ent-scheidenden Anstofi.

Nun aber zum Programm: Dafi der Carinthische Sommer eine Fest-spiel-Veranstaltungsfolge von zwei-monatiger Dauer darstellt, soli der Ordnung halber nochmals festgehal-ten werden, ohne dafi wir darin ein besonders gravierendes Charakteri-stikum sehen mochten. Anders ist es mit der inneren Struktur des Pro-gramms. Der Carinthische Sommer ist das einzige Festspiel, bei welchem von dem offiziellen Veranstaltungs-buro drei grofie Bereiche geplant, or-ganisiert und durchgefuhrt werden: 1) representative Veranstaltungen, 2) Lehre und Unterricht, 3) Wissenschaft und Forschung.

Das heifit, es werden zu den norma-len Veranstaltungen mit dem notigen Kartenverkauf auch Lehr- und Un-terrichtsseminare sowie Wissen-schafts- und Forschungssymposien abgehalten. Dafi diese Vielschichtigkeit der Vorbereitungsarbeiten eine enorme Leistung von den Mitarbei-tern des personell nur aufierst knapp besetzten Verwaltungsbiiros abver-langt, wird wohl von niemandem be-zweifelt werden.

Ein weiteres Charakteristikum ist die Beschaftigung mit dem Szenischen. Die Integrierung szenisch auf-zufuhrender, wenn moglich fiir den Carinthischen Sommer eigens ge-schriebener Werke ermoglicht und dokumentiert nach unserer Uberzeugung das aktive, in der Zeit ste-hende Leben eines Festspielgedan-kens. Es ermoglicht die Integrierung des Komponisten, des wahren schop-ferischen Menschen, in das aktive musikalische Leben. Wir bewahren dadurch als Veranstalter die innere

Bescheidenheit und verfallen nicht in den Fehler, den Organisator und Manager als das Um und Auf kulturellen Lebens zu empfinden.

Der Carinthische Sommer ist nicht fur auBere Representation gemacht. Wir bemiihen uns, eine Festspielfolge fur den Menschen schlechthin zu machen. Der Carinthische Sommer soil diesem bei seiner Suche nach Selbstfindung und Lebenssinn eine Stutze sein. Er soli den Menschen hinfuhren zu den Kraften der Erbau-ung und der inneren Ausgewogen-heit. Und er soli ihm nicht zuletzt auch das Finden eines Weges zum Re-ligiosen schlechthin erleichtern.

(Der Autor ist Intendant des Carinthischen Sommers)

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