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Semester lß 8 4

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Jetzt haben wir sie wieder zu Hause, die Damen und Herren Schüler. Semesterferien sind ja zum Unterschied zu anderen Freizeiten kurze Ferien, die trotzdem mit einer Zeugnisverteilung beginnen. Informierte Eltern wissen hoffentlich längst Bescheid über die Zahlenreihe, die ihnen da kurz vor dem Abbrausen in den Wintersport noch präsentiert wird. Also gibt es hoffentlich keine abgrundtiefen Überraschungen, und die paar freien Tage mit den Kindern — Sie haben doch Zeit für sie? — können wirklich der Erholung dienen.

In meinem Fall trägt das Kind bereits den ersten hauchdünnen Oberlippenflaum mit sich herum, man muß zwar sehr gegen 's Licht schauen, damit man ihn sieht, aber man sieht ihn und schwankt beim Hinschauen zwischen leiser Rührung, Ungläubigkeit und Verantwortungsbewußtsein hin und her.

Der Herr Unterrichtsminister hat uns Eltern auf die Schulbücher angesetzt, wir können die gröbsten Unsinnigkeiten darin beseitigen helfen. Klingt gut. So mancher Elternteil wird vielleicht bei dieser Gelegenheit so ein Schulbuch zum ersten Mal näher in Augenschein nehmen.

Neben mir liegt das Lehrbuch für Geschichte meines Oberlippenbeßaumten. Ich bin nicht hinter Unsinnigkeiten her. In diese Ferien fällt der 12. Februar und damit ein 50-Jahr-Jubiläum, und die Beschäftigung damit halte ich ketzerischerweise für wichtiger als stundenlange Diskussionen über den Fünfer in Mathematik. Ich möchte gerne wissen, was in dem Lehrbuch für.Geschichte und Sozialkunde für die vierte Klasse der Hauptschulen und allgemeinbildenden höheren Schulen über das 34er Jahr drinsteht.

Unter dem nicht sehr glücklich gewählten Titel ,J)as autoritäre Österreich" steht die ganze Tragödie da, in dürren Worten, aber ganz übersichtlich, über ein paar Seiten verstreut. Bürgerkrieg 1934" steht da rechts außen am Rand. Mein Sohn weiß, was zum Beispiel wenige Jahre davor in Schattendorf passiert ist, ich wußte es in seinem Alter ganz sicher nicht. Ich merke, daß ich zurückblättere. Wie kam es dazu? Auch das steht da. In dürren Worten, aber recht übersichtlich.

Wir werden also eine kleine private Gedenkfeier veranstalten, der künftige Jungwähler und ich. So um den 12. Februar herum: Wir werden uns die Zeit nehmen, darüber zu reden.

In dem Lehrbuch steht nämlich nirgends, wie man es anstellt, daß sich die Ereignisse des Februar 1934 nie, nie mehr wiederholen.

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