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Weiße, Farbige und Asiaten

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Südafrikanische politische Kreise sprechen von einem entscheidenden Durchbruch zur Neuregelung der internen Machtverhältnisse und von einem Sieg Ministerpräsident Vorsters über die konservativen Kräfte in seiner eigenen Partei. Der Ministerpräsident hat zunächst die maßgebenden Führer der Farbigen- und Asiatenparteien empfangen und ihnen einen Plan zur Änderung der Verfassung vorge-. legt Nach den Gesprächen zeigte sich der farbige Oppositionsführer Sonny Leon „etwas mehr optimistisch“, und Joe Carrim, Mitglied der indischen Delegation, sagte, daß die Regierung „offen gewesen sei für Diskussionen und bereit, zuzuhören“. Einzelheiten des Planes, der die Errichtung eines Superparlaments für Weiße, Farbige und Inder enthält, wurden zunächst nicht bekannt, wurden jedoch 300 führenden Mitgliedern der Nationalen Partei während eines außerordentlichen Kongresses in Kapstadt vorgelegt. Befürchtungen und Hoffnungen der Opposition (einschließlich der links-libe- ralen Presse), daß die sogenannten „Verkrampften“ in der Partei die Pläne Vorsters torpedieren würden, erfüllten sich nicht.

Inzwischen sind - wenn auch unvollständig - zahlreiche Einzelheiten der Vorschläge Vorsters bekanntgeworden. Vorausgesetzt, daß das Wahlkomitee der Nationalen Partei und die provinzialen Kongresse, die in den nächsten Monaten darüber beraten werden, die Pläne annehmen, wird Südafrika von 1979 an von einer Präsidialdemokratie regiert werden, die starke Ähnlichkeit mit der französischen Regierungsform haben soll. Ein gemischtes Kabinett, ein Staatspräsident mit größerer politischer Macht, gewählt von Indern, Weißen und Farbigen, und drei getrennte Parlamente mit drei verschiedenen Ministerpräsidenten, die alle die gleichen Machtbefugnisse haben werden, das sind die Grundzüge der Neuregelung. Da anzunehmen ist, daß der jetzige Staatspräsident Dr. N. Diedefichs, der amtsmüde ist, bereits im nächsten Jahr zurücktritt, hält man es für sehr wahrscheinlich, daß Ministerpräsident John Balthazar Vorster der erste Staatspräsident im Zeichen der neuen Verfassung werden wird.

Das gemischte Kabinett unter Vorsitz des Staatspräsidenten wird aus sechs Weißen, drei Farbigen und zwei Indem bestehen. Der Staatspräsident wird von einem Komitee gewählt werden, das aus 50 Weißen, 25 Farbigen und 13 indischen Parlamentsmitgliedern bestehen soll. Die getrennten Parlamente für Farbige, Weiße und Inder sollen aus jeweils 92, 185 und 50 Abgeordneten bestehen, von denen ein Teil ernannt, der größere Teil jedoch gewählt werden wird. Dem Staatspräsidenten zur Seite soll ein aus 55 nichtpolitischen Mitgliedern zusammengesetzter Präsidentschaftsrat stehen. Dieses Gremium hat eine beratende und schiedsrichterliche Funktion für den Fall, daß in dem gemischten Kabinett keine Einheit erzielt werden kann. Es wird keine weißen Minister mehr für Probleme der Farbigen und Inder geben.

Kritiker wie auch Befürworter der neuen Pläne Vorsters sind sich darin einig, daß der Ministerpräsident und seine Regierung fest entschlossen sind, einen neuen Kurs einzuschlagen, der Südafrikas politische Struktur öffnet. Bedauert wird nur, daß nach wie vor die städtischen SIchwarzen von der politischen Macht ausgeschlossen bleiben sollten. Dennoch stimmen die ersten Ansätze hoföiungsvoll. „Es ist ein erster Schritt zur Teilung der Macht mit den Andersfarbigen“, sagen die Kritiker,, ,der erste auf dem Weg zu neuen politischen Horizonten für die Weißen in Südafrika“. Noch fürchten Pessimisten, daß die konservativen Elemente in der Nationalen Partei sich in allernächster Zeit - und eventuell mit Hilfe der reaktionären „Herstigte Nationale Partij“ - zum Gegenschlag formieren könnten. Aber die Tatsache, daß der außerordentliche Kongreß in Kapstadt dem Ministerpräsidenten Vorster und seiner Regierung für die geleistete Arbeit und die Vorschläge dankte, wird bereits als ein entscheidender Sieg Vorsters angesehen.

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