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MacLeod und der Innere Kreis

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Eine Reihe von Geschehnissen der letzten Zeit läßt eine solche Wiederholung allerdings als unwahrscheinlich erscheinen. Während in den früheren Wahljahren die siegreich gebliebene Regierungspartei stets den Wählern ein einheitliches Gesicht zeigte und für den Wahlkampf in geistiger Hinsicht gerüstet war, dürfte dies derzeit innerhalb der konservativen Partei kaum der Fall sein. Die Veröffentlichung einer Broschüre von Randolph Churchill über die Lösung der Führungskrise der Tories vom vergangenen Herbst hat die kaum verheilten Wunden wieder neuerlich aufgerissen. Die überregionale Presse hat die Rezensionen dieses Buches groß herausgebracht. Der eigentliche Knalleffekt ereignete sich aber erst nach dem Erscheinen des „Spectalor“ vom 17. Jänner, in dem der frühere Vorsitzende der Konservativen, Iain MacLeod, die Besprechung dieses Buches dazu benützte, seine Version von der Macmillan-Nachfolge der Öffentlichkeit zu erzählen. Während Randolph Churchill die offiziöse Parteiansicht vertrat, wonach aus dem „traditionellen Verfahren“ Sir Alec Douglas-Home (damals Lord Home) als neuer Parteiführer und Premierminister hervorging, bezeichnete MacLeod dies als das Ergebnis eines Ränkespiels des „geheimnisvollen inneren Kreises“ (ma-gic inner circle), der um jeden Preis verhindern wollte, daß Mr. R. A. B. Butler im Streit um die Nachfolge Macmillans obsiegen sollte. Als hauptsächliche Antriebskraft für dieses Manöver nannte MacLeod den früheren Premierminister Mac-millan. Sir Alec, Mr. Macmillan und die konservativen Kabinettsmitglieder haben bisher zwar jeden Kommentar zu den Enthüllungen Mac-Leods vermieden, in den Parteiorganisationen und in den Wahlkreisen haben sie hingegen einen ziemlichen Aufruhr erregt. In Leserzuschriften macht sich dies in der Form bemerkbar, daß der Hoffnung Ausdruck gegeben wird, MacLeod möge nie mehr eine entscheidende Stellung in der konservativen Parteihierarchie bekleiden; er habe hinlänglich bewiesen, daß für ihn kein Platz bei den Tories sei, und man müsse sehr, sehr glücklich sein, daß er jeglichen Einfluß verloren habe...

Wenngleich Kenner der politischen Lage meinen, es sei verfehlt, die Wirkungen der Enthüllung Mac-Leods zu überschätzen, dürfte dennoch eines gewiß sein: Der gegenwärtige Chefredakteur des „Specta-tor“, Iain MacLeod, hat mit seinem Artikel wohl politischen Selbstmord begangen, da ihm die Tories dieses Schauspiel so kurz vor der allgemeinen Wahl kaum jemals verzeihen werden. Die Diskussion über das Für und Wider dieses Artikels ist freilich nicht der einzige Streitpunkt, welcher die Tories entzweit. Mr. Heath, der gegenwärtige Handelsminister, hat mit seiner Initiative, mit einem Gesetz die Preisbindung zweiter Hand (vom Erzeuger vorgeschriebene Detailpreise — retail price maintenance) zu verbieten, eine neue ernstliche Meinungsverschiedenheit innerhalb der Regierung hervorgerufen. Die rund 450.000 Kleinhändler Großbritanniens mobilisierten ihre Verbände, um ein solches Gesetz entweder überhaupt zu verhindern oder so zu verwässern, daß es praktisch wirkungslos bleibt. Der Riß geht quer durch das Kabinett. Die jungen Minister, allen voran Maudling, Sir Edward Boyle und Sir Keith Joseph, unterstützen ihren Kollegen Heath kräftig, doch stehen ihnen die älteren Minister, Butler, Thorneycroft, der Fraktionsführer im Unterhaus, Selwyn Lloyd, der gegenwärtige Parteivorsitzende, Lord Blakenham, gegenüber. Heath konnte den Konflikt nur deshalb für sich entscheiden, weil Sir Alec Douglas-Home auf seiner Seite stand. Gewiß treten auch die älteren Minister für irgendwelche Maßnahmen auf dem Preissektor ein; sie glauben jedoch, eine solche innenpolitisch umstrittene Aktion bis nach den Wahlen verschieben zu müssen.

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