Putin

Wahl in Russland: Die organisierte Zustimmung

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Dass Putin bei den Präsidentschaftswahlen wiedergewählt wird, steht außer Frage. Warum lässt er sie überhaupt durchführen? Ein Erklärungsversuch.

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Dass Putin bei den Präsidentschaftswahlen wiedergewählt wird, steht außer Frage. Warum lässt er sie überhaupt durchführen? Ein Erklärungsversuch.

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Im Sommer 2006 trat in Russland ein Gesetz in Kraft, das künftige Wahlen stark beeinflussen würde: Die seit 1991 bestehende Wahloption „gegen alle“ auf jedem Wahlzettel wurde gestrichen. Es war nicht der erste Schritt zum Ausbau der politischen Kontrolle im Land, aber es war ein wichtiger. Denn nachdem Regime-kritische Kandidaten kaum noch Chancen hatten, zu Präsidentschaftswahlen zugelassen zu werden, wurde die letzte Möglichkeit genommen, an der Wahlurne Protest auszudrücken.

Seitdem spielen die Ergebnisse bei den Präsidentschaftswahlen in Russland keine große Rolle; dafür der Wahlprozess an sich. Wie stabil die Macht des 71-jährigen Wladimir Putin ist, zeigt nicht das Wahlergebnis. Wichtiger für das Regime ist es zu sehen, wie das gewünschte Ergebnis bei der Abstimmung vom 15. bis 17. März erreicht wird. Funktioniert der Apparat? Treibt er genügend Menschen an die Urnen? Gibt es Störungen im System?

„Dort herumstehen, dann umkehren“

Spricht man mit Russlandbeobachtern oder hört den Exil-Russen zu, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung das Land verlassen haben, taucht die Idee eines Wahlboykotts gar nicht erst auf. Im Gegenteil. Julija Nawalnaja, Witwe des ermordeten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, ruft ausdrücklich zur Wahl auf: Am Sonntag, 17. März, sollen all die, die Putin loswerden wollen, im Wahllokal erscheinen und dort „jeden beliebigen Kandidaten außer Putin wählen. Sie können auch den Wahlzettel ungültig machen, Sie können in Großbuchstaben Nawalny draufschreiben, Sie können auch einfach zum Wahllokal kommen, dort herumstehen, dann umkehren und nach Hause gehen.“ Der Sinn des Ganzen: „Sie zeigen damit Millionen anderen, dass sie nicht allein sind.“ Nawalnaja weiß, dass diese Aktion keine Auswirkungen auf das Ergebnis haben wird, deswegen ruft sie zur Störung des Wahlprozesses auf. Ein symbolischer Akt, ein Ersatz für „gegen alle“.

Es gibt vier Kandidaten. Neben dem absehbaren Sieger Putin sind es Wladislaw Dawankow (Partei Neue Menschen), Leonid Slutsky (LDPR) und Nikolai Charitonow (KPRF). Und dann gab es da noch Boris Nadeschdin von der Partei Bürgerinitiative. Zwar war er am 21. Februar von der Zentralen Wahlkommission als Kandidat nicht zugelassen worden; doch sein Auftauchen auf der politischen Bühne ist beachtenswert: Der 60-Jährige hatte aus dem Nichts mehr als 200.000 Unterschriften für seine Kandidatur gesammelt – nicht zuletzt aufgrund seines „Njet“ zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Ob Nadeschdin ein Fehler im System war, oder ob die Kreml-Technologen seinen kurzen, aber prominenten Auftritt bewusst zugelassen und seine Kampagne analysiert haben – darüber zu streiten, wäre müßig. Entscheidend ist, dass der Kreml die Unzufriedenheit mit dem Krieg, die sich in der Unterstützung für Nadeschdin zeigte, registriert hat.

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