Geliebte und ungeliebte Gäste

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Trachtenkapelle und Sissi-Jux für den Präsidenten Chinas, die kalte Schulter für die Vertreter der Exiltibeter. Wie die Spitzen der Republik Prinzipien leben, auf die sie eingeschworen sind.

Der 31. Oktober ist ein Festtag für das offizielle Österreich. Passanten in der Wiener Innenstadt können das an den Straßensperren und den Hundertschaften Polizei erkennen, welche das Zentrum der Hauptstadt praktisch unpassierbar machen. Es ist ein hoher Tag für die Republik. Die gesperrten Wege werden für den Präsidenten der Volksrepublik China, Hu Jintao freigehalten, damit dieser ungehindert seine Visiten beim Bundespräsidenten, dem Kanzler, der Parlamentspräsidentin und den Spitzen der Bundesregierung absolvieren kann. Die Stimmung des Gastes ist heiter. Schon vor seiner Ankunft hat er Sissi-Filme gesehen. Er will, sagt er, "die Beziehungen zu Österreich auf eine höhere Eben heben“.

Polizei-Aktionen

Am Schottentor nahe der Universität spielen sich an diesem Morgen merkwürdige Szenen ab. Ein Gruppe von Jugendlichen mit tibetischen Fahnen und Transparenten wurden von einer Polizeistreife angehalten. Die Vertreter der Plattform Save Tibet sind soeben aus der Straßenbahn gestiegen und wollen nun in Richtung Hotel Imperial weiterziehen, um vor dem Hotel, in dem Hu Jintao logiert, auf die Menschenrechtsverletzungen in Tibet aufmerksam zu machen. Doch dazu kommt es nicht: Die Polizisten kontrollierten die Papiere der Angehaltenen und nehmen ihnen dann die Transparente und Fahnen weg. Gleiches passiert zur selben Zeit einer Gruppe Tibeter auf der Kärntner Straße.

Fünf Tage zuvor hatte sich in Osttibet der Mönch Dawa Tsering im Kloster Karze aus Protest gegen die chinesische Unterdrückung selbst angezündet. Menschenrechtsorganisationen berichteten von massiven Repressalien chinesischer Truppen und Polizei in der Provinz seit dort Tibeter im Sommer für Religionsfreiheit und gegen die staatliche Umerziehung protestiert hatten. Mehrere Dutzende Festnahmen, Folter und Misshandlungen von Mönchen und Nonnen berichtete die Tibet Post. Dem Verzweiflungsakt des Mönches sollten weitere Geistliche folgen. Die Zahl der politischen Gefangenen wird derzeit mit über 1000 beziffert (siehe unten).

In Wien nimmt man davon kaum Notiz. Hu Jintao schreitet salutierende Gardesoldaten des Bundesheeres ab, wird von Bundespräsident Fischer ans Herz gedrückt und erfreut sich im Parlament der Gastfreundschaft. Die Menschenrechte finden in einer Form Erwähnung, die bei Kommentatoren den Eindruck hinterlässt, gerade habe sich jemand beim Gast entschuldigen wollen.

Die demonstrative Herzlichkeit scheint abzufärben. Am Vormittag des 31. Oktober hält ein Wachmann auf der Hinterseite des Hotel Imperial die Präsidentin von SOS-Tibet Tseten Zöchbauer an und befiehlt ihr, "die Fahne herunterzunehmen“, da sie bei Zuwiderhandeln verhaftet würde. Zöchbauer hat dergleichen "hier noch nicht erlebt“. Hu Jintao wird die Proteste nicht zu Gesicht bekommen.

Verschlechterung der Beziehungen

Seit mehr als 20 Jahren setzt sich Zöchbauer für die Interessen der Exilregierung Tibets in Österreich ein. "Heute behandelt man uns wie Kriminelle, weil wir auf die Menschenrechte aufmerksam machen wollen“, so Zöchbauer.

Das war nicht immer so: 2007 traf der Dalai Lama mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zusammen, 1998 wurde er im Parlament vom 2. Nationalratspräsidenten Heinrich Neisser geehrt.

Warum der Sinneswandel trotz fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen in Tibet? "Der Druck, den die Chinesen ausüben, ist schon enorm geworden“, analysiert die niederösterreichische Grüne Madeleine Petrovic, die sich seit den 90er Jahren für Tibet engagiert. Petrovic war auch Teil einer parlamentarischen Freundschaftsgruppe Österreich-Tibet, die nun nach Jahren der Inaktivität wiederbelebt werden sollte.

Zumindest versuchten das die Grünen mit verbaler Unterstützung aus dem ÖVP-Klub. Der Parlamentspräsident der Exiltibeter, Penpa Tsering, war deshalb nach Österreich gekommen (siehe Interview Seite 5). Ein Treffen mit Österreichs Parlamentariern und ein Meinungsaustausch wären das Ziel der Aktion gewesen. Doch die Organisatoren hatten die Rechnung ohne die Parlamentsdirektion gemacht. Aus dem Büro von Präsidentin Barbara Prammer verlautbarte man Richtung Grüne, man werde die Initiative auf keinen Fall unterstützen, so die Grünen.

Deshalb mieteten die Grünen selbst einen Parlamentsraum an, für den 23. November zwischen 12.15 und 13.30 Uhr. Die SPÖ entschied sich, dem Treffen gänzlich fernzubleiben, die FPÖ entschuldigte sich. Nur die Grünen und die ÖVP waren mit Abgeordneten vertreten. "Nicht einmal einen Tagespass hat man den Tibetern gegeben“, ärgert sich Petrovic, die die Gäste nach der eineinhalbstündigen Kurzveranstaltung wieder aus dem Haus bringen musste.

Warum die Zurückhaltung? Das Büro von Barbara Prammer verweist auf den Parteicharakter der Veranstaltung: "Es handelte sich um eine von zahlreichen Aktivitäten der Fraktionen, für die eine Unterstützung durch das Büro der Präsidentin nicht vorgesehen ist.“

Das widerspricht allerdings der Darstellung der Grünen, sie hätten eben jenen parteilichen Charakter des Treffens vermeiden wollen, und hätten deshalb davor bei Prammer angefragt. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Judith Schwendtner: "Ich war sehr verwundert darüber, dass da so abgeblockt wurde.“

Der Eingeladene selbst, Penpa Tsering, übt harte Kritik an den "sehr unglücklichen Handlungen“ der Politiker. Er habe nicht die Absicht gehabt, die Loslösung Tibets von China zu fordern. Er habe lediglich über die Organisation des tibetischen Parlaments und das Wahlsystem für die Exiltibeter sprechen wollen, dazu noch über Religions- und Meinungsfreiheit und das Angebot der Exilregierung an die Chinesen über eine Autonomie innerhalb des chinesischen Staatsverbandes.

Wirtschaft und Macht

Die Ablehnung des Mannes aus Dharamsala hat wohl auch mit Handelsinteressen zu tun. Mit Hu Jintao war zum Beispiel eine 160-köpfige Wirtschaftsdelegation angereist - und mit Millionen-Verträgen wieder abgeflogen. Österreich exportierte im 2010 Waren im Wert von 1,2 Milliarden Euro nach China und importierte im Wert von 3,7 Milliarden Euro.

Die Wirtschaftskammer vermerkt stolz: "China ist seit dem Jahr 2003 Österreichs wichtigster Handelspartner in Asien und weltweit der zweitwichtigste Überseemarkt nach den USA.“ Birgit Murr, österreichische Handelsdelegierte in Shanghai, empfahl österreichischen Firmen bei einer Diskussionsveranstaltung im Vorjahr, bald den Schritt nach China zu wagen, "denn die besten Plätze werden jetzt besetzt“. So gesehen erscheint der Besuch von Präsident Fischer mit Hu Jintao in einer Salzburger Alpenstube mit Trachtenkapelle und Bandltanz beinahe logisch.

Abseits der Ökonomie aber nicht. Dazu jüngste Meldungen aus Tibet: Am 25. November verhafteten chinesische Polizisten im Kloster Kirti den Mönch Gyamtso ohne Angabe von Gründen. Gyamtso ist seither verschwunden. So ist der Alltag: Seit Beginn des Jahres wurden laut Tibet Post 300 Mönche des Kirti-Klosters festgenommen.

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