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Die paritätische Politik
In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg haben die Verbände einen besonderen Dienst an der Demokratie geleistet, indem sie eine paritätische Politik betrieben. In echter Zusammenarbeit bemühten sich die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Lösung wichtiger wirtschafts- und sozialpolitischer Fragen und ersparten dem Staat durch den erreichten Interessenausgleich zwischen den Verbänden viele Auseinandersetzungen. Diese paritätische Politik hat mit dem Abschluß von Lohn- und Preisabkommen begonnen, zur Errichtung einer Wirtschaftskommission, hernach eines Wirtschaftsdirektoriums und schließlich der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen geführt, die sogar ein aus Verbandsfachleuten bestehendes Expertengremium, den Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, eingerichtet hat. Durch diese paritätische Politik, nämlich durch die Zusammenarbeit der Sozialpartner, haben die Verbände Ständeeffekte im gesellschaftspolitischen, aber nicht im staatspolitischen Sinne erzeugt. Diese Tätigkeit der Verbände entspricht, wie jüngst auch Johannes Messner in der Neuauflage seines Buches „Die soziale Frage“ hervorgehoben hat, dem Grundsatz der katholischen Gesellschaftslehre von der Idee berufsständischer oder leistungsgemeinschaftlicher Ordnung. Diese Idee ist nämlich ein Ausdruck der Parität, Solidarität und Subsidiarität im Dienste der Gemeinwohlverantwortung, um deren Institutionalisierung man sich in den letzten Jahren in Österreich vielfach bemüht hat.
Nicht nur durch den innerorganisatorischen Ausgleich der Interessen ihrer Mitglieder, sondern auch durch ihre Repräsentation gegenüber dem Staat, der im Hinblick auf seine wohlfahrtsstaatlichen Aufgaben einen leistungsstaatlichen Charakter annimmt, dienen und nützen die Verbände der Demokratie durch ihre paritätische Politik des Interessenausgleiches. Die einstigen Wegbereiter der Demokratie erweisen sich heute als deren Garant.
Da sich das Wirken der Verbände neben den politischen Parteien entfaltet und mehr sach- als ideologieorientiert ist, trägt es zur Versachlichung der Politik bei.
Das Kräftespiel unserer Zeit hat dadurch eine neue Form der Gewaltenteilung erfahren. Während die rechtliche Gewaltenteilung der drei Staatsfunktionen, nämlich der Gesetzgebung, der Gerichtsbarkeit und der Verwaltung, im Hinblick auf den beherrschenden Einfluß der Parteien in der Verfassungswirklichkeit zur Gewalteneinheit geführt hat, da diese Staatsfunktionen von denselben parteipolitischen Kräften ausgeübt werden, schafft das Wirken der Verbände neben den politischen Parteien eine neue Form der politischen Gewaltenteilung. Ist doch auch die Teilung und Mäßigung der Macht, wie vor kurzem Max Im-boden in einem Vortrag festgestellt hat, ein Postulat des Rechtsstaates.
Betrachtet man das Werden und Wirken der Verbände, so kann weder eine Ständestaatlichkeit noch eine demokratiefeindliche Haltung festgestellt werden. Die Verbände tragen vielmehr zum innersystematischen Interessen- und Spannungsausgleich in der Demokratie des modernen Staates bei und haben sich nicht nur vor ihren Mitgliedern, sondern auch vor der Allgemeinheit für ihre Politik zu rechtfertigen.
Ein neuer Begriff des demokratischen Staates ist im Entstehen, er wird sich aber nicht nur einseitig auf die Willensbildung der Gemeinschaft der einzelnen Bürger beziehen können, auch die verschiedenen funktionellen Zusammenhänge im Gesamtgesellschaftskörper werden zu berücksichtigen sein.
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