Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Aggressive Exoten im Vormarsch
Unser Wissen über ökologische Zusammenhänge ist nach wie vor recht lückenhaft. Schwer abzuschätzen ist vor allem, wie Ökosysteme auf Lebewesen, die ihnen bisher fremd waren, reagieren. Einzelne von diesen können sich zu wahren Landplagen entwickeln (Seite 14).
Eine 1993 im Auftrag des US-Kongresses durchgeführte Studie über in den USA nicht-heimische Arten kam zu folgendem Ergebnis: Bund 4.000 Pflanzen und Tiere seien im letzten Jahrhundert „naturalisiert" worden., 79 von ihnen hätten in den Jahren
1906 bis 1991 einen Gesamtschaden von 97 Milliarden Dollar angerichtet. Und die Invasion schreitet fort: Auf den 200 Millionen Hektar im US-Bundeseigentum stehenden Flächen im Westen der USA erobern die „Exoten" pro Tag 19 Hektar.
Edward Ö. Wilson, Biologe an der Harvard-University, geht davon aus, daß diese Invasion durch „Exoten" die wohl wichtigste Ursache für das Ausmerzen bestehender Arten dar stellt. Als ein Beispiel unter vielen gilt die Einführung des australischen Baumes „melaleuca" in Florida. In seinem heimischen Milieu wird er durch die vorherrschenden Bedingungen und eine Beihe von natürlichen Feinden im Zaum gehalten. Unter den Bedingungen von Florida hingegen hat er mittlerweile, auf einer Fläche von 2000 Hektar alles an ursprünglicher Vegetation sowohl in trockenen wie in feuchten Gebieten verdrängt („Technology Beview").
Ein anderes Beispiel für die gravierenden Folgen des Einbringens fremder Lebewesen liefert „caulerpa taxi-folia". 1984 erstmals im Mittelmeer registriert, hat sich diese grüne Alge -eigentlich in tropischen Meeren zu Hause - seither auf allen möglichen Unterlagen breitgemacht: Sand, Schlamm, Felsen. Sie hat sich mit atemberaubender Geschwindigkeit ausgebreitet: Von einem Quadratmeter im Raum Monte Carlo 1984 auf 2000 Hektar 1995 an diversen Stellen zwischen Messina in Sizilien bis zu den Balearen („Science & Vie"). Sie verdrängt die bisher vorherrschende „po-sidonia oceanica" und gefährdet damit den Bestand der von ihr lebenden Fische, Seeigel und anderen Tiere.
Solche spontane Ausbreitung muß nicht sofort nach Einbringen einer neuen Art in ein Ökosystem eintreten, wie Herbert Sukopp vom Institut für Ökologie der TU-ßerlin aufgrund der Beobachtung von Gehölzen berichtet:
„Für die brandenburgischen Arten (etwa 200) liegt das Mittel dieser Zeitdifferenz bei 147 Jahren, im einzelnen zwischen acht und fast 400 Jahren. Beispiel: Der Götterbaum. 1780 eingeführt setzte er seine spontane Verbreitung in Berlin erst 1950 ein, und zwar im Gefolge der durch Kriegszerstörungen und Erwärmung veränderten Umweltbedingungen."
Die enorme Komplexität der ÖkoBeziehungen, das relativ geringe Wis-sen und die möglichen gravierenden Folgen des Einbringens neuer Lebewesen legen nahe, auch bei der Ausbringung von genetisch veränderten Organismen extreme Vorsicht walten zu lassen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!