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Der brutale und hinterhältige Mordanschlag auf den russischen Oppositionellen Boris Nemzow hat erneut ein grelles Licht auf das autokratische Putin-Russland geworfen. Das bereits durch die Ukraine-Krise schwer belastete Verhältnis zwischen Moskau und dem Westen hat durch die Bluttat erneut einen Dämpfer erhalten. Freilich ist noch wenig über die Hintergründe der Ermordung bekannt, dass es eine direkte Spur in den Kreml oder dessen Umfeld gibt, ist keineswegs erwiesen. Aber es spricht für sich, dass kaum jemand annimmt, dass diese Tat je aufgeklärt wird. In Russland herrscht offenkundig ein repressives Klima der Angst, es dominiert eine Rhetorik und Politik der nationalen Stärke, die sich aus Sowjetnostalgie und Phantomschmerzen über den Verlust einstiger Größe speist. Er hoffe nicht nur auf die Bestrafung der Mörder von Nemzow, sondern auch "jener, die verantwortlich sind für die Hetze auf diejenigen, die nicht mit imperialer Politik und Aggression gegen Nachbarstaaten einverstanden sind": So brachte es etwa der polnische Senatspräsident Bogdan Borusewicz, dem die Einreise nach Russland und die Teilnahme an der Beerdigung Nemzows ebenso verwehrt wurde wie der lettischen EU-Abgeordneten Sandra Kalniete, auf den Punkt.

Mit Klarheit und Entschiedenheit

Wie also mit dem erratischen Neo-Zaren des Riesenreiches umgehen? Natürlich mit Klarheit und Entschiedenheit. Was im Grundsätzlichen so einfach klingt, ist freilich im Konkreten unendlich schwierig. Dennoch gilt auch hier das Prinzip eines jeden Dialogs: Einen solchen kann nur führen, wer selbst einen klaren Standpunkt hat, den er auch zu verteidigen bereit ist. Die Bereitschaft zum präventiven Räumen eigener Positionen ist indes -entgegen weit verbreiteter Ansicht - kein Ausweis von Dialogfähigkeit. Wer die eigenen Markierungen mit dem Weichzeichner bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet, hat schon verloren. "Putins Stärke ist das Ergebnis unserer Schwäche. Wenn sich Europa zurückzieht, schreitet er voran. Wenn Europa kraftvoll seine Stimme erhebt, zieht er sich zurück", sagte der französische Starphilosoph Bernard-Henri Lévy dieser Tage im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Das gilt nicht nur für die Ukraine, auf die sich Lévys Antwort unmittelbar bezog, sondern generell.

Europas unsichere Kantonisten

Zu Europas Schwäche gehört ganz wesentlich seine Nicht-Geschlossenheit, das, was FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler den "weichen Bauch" der EU nennt, "der von Budapest [ ] bis nach Athen reicht". Aus ganz unterschiedlichen Gründen und ideologisch konträr fundiert machen ja Ungarns Premier Viktor Orbán und der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras erkennbar Moskau ihre Avancen. Nein, das heißt nicht, dass sich die Euroländer deswegen von Athen erpressen lassen müssen; und es heißt auch nicht, Orbán alle nationalistisch-protektionistischen Attitüden durchgehen zu lassen. Vielmehr müssen Brüssel, Berlin, Paris &Co. auch gegenüber solchen unsicheren Kantonisten mit Klarheit und Entschiedenheit agieren.

Fahrlässig wäre es freilich ebenso zu übersehen, dass Putins Russland auch im Westen vielen als eine Art Projektionsfläche für ein geistig-kulturelles Unbehagen dient, welches keineswegs auf extrem rechte Kreise beschränkt ist, sondern weit in die "bürgerliche Mitte" hineinreicht. Dass Viktor Orbán als einer der wenigen EU-Spitzenpolitiker dieses Unbehagen artikuliert, hat ihn ungeachtet diverser autoritärer Eskapaden zu einer markanten Gestalt auch außerhalb Ungarns gemacht. Nicht alles, was im Zeichen von Fortschritt, Gleichheit und Toleranz proklamiert wird, ist im Sinne einer -vielfach schweigenden - Mehrheit. Und schon gar nicht ist es alternativlos.

rudolf.mitloehner@furche.at

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