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Ernst Fuchs stellt vor

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Wien hat eine neue Galerie. Sie liegt im sechsten Bezirk, in unmittelbarer Nähe der Secession und des Theaters an der Wien, Ecke Millöckergasse-Papa-genogasse. Die Ausstellungsräume, die von dem ausgezeichneten jungen Architekten Uhl umgebaut, ausgebaut und entrümpelt wurden, waren früher ein Magazin; alte Tische, Kisten und Kästen standen da herum.

Ernst Fuchs, der Initiator und Eigentümer dieser Ausstellungsräume, will hier jungen, noch unbekannten Künstlern die Möglichkeit geben, zum erstenmal vor die Oeffentlichkeit zu treten. Dabei wird Ernst Fuchs, selber einer der erfolgreichsten Künstler der jungen Generation in Oesterreich, eine strenge Auswahl anwenden; Abstraktion und Tachis-mus mögen anderswo gefördert werden. Ihm geht es — im eigenen Werk wie in seiner Galerie — um die Realität; nicht die äußere des Augenscheins, sondern die tiefere, surreale.

Wien hat viel zuwenig Galerien, und gerade die interessantesten hatten hier nur eine kurze Lebensdauer, wie die Galerie des Art-Clubs im „Strohkoffer“. In Wien wird auch zuwenig ausgestellt. Vielleicht haben wir keinen Ueberfluß an wirklich erstklassigen jungen Künstlern; aber es gibt einige, die von den bereits Arrivierten systematisch unterdrückt werden, denen man keine Ausstellung ihrer Arbeiten gönnt. Es tut uns leid, das sagen zu müssen; aber es ist so. Gerade in Kreisen der Kunst, wo Maotsetungs Wort „Laßt hundert Blumen blühen“ besonders gelten sollte, herrscht vielerorts eine geradezu bolschewikische Unduldsamkeit. Es ist verständlich, daß ein Künstler nur für seine eigene Stilrichtung einsteht und alle anderen kategorisch ablehnt; nicht zu rechtfertigen ist, daß er Kollegen den Erfolg mißgönnt und intrigiert.

Da ist es gut, daß es die Galerie Ernst Fuchs gibt, die uns mit einigen noch unbekannten Malern bekannt machen wird. Besonders wertvoll, daß dies keine Galerie der Modetorheiten ä la Tachisme werden soll, sondern daß hier die Imagination als die „Königin der Fähigkeiten“, wie Charles Baudelaire sagte, regieren wird.

Ernst Fuchs wird auch viele Künstler aus dem Ausland herbringen. Hauptsächlich will er Graphiken zeigen, denn Graphiken lassen sich leicht verschik-ken, und die Werke, die hier gezeigt werden, sollen noch in München, London und Paris in befreundeten Galerien ausgestellt werden. So ist mit dieser neuen Galerie etwa Weltluft m Naschmarkt eingekehrt.

Der erste Künstler, den Ernst Fuchs vorstellt, ist Georg W. Chaimowicz. Chaimowicz wurde 1929 in Wien geboren, mußte 1939 nach Kolumbien auswandern, von wo er 1948 zurückkehrte. In Wien besuchte er die Akademie der bildenden Künste (Klassen Pauser und Boeckl). Chaimowicz ist in seinen Graphiken ein Erbe der Tradition der Klimt, Schiele, Kokoschka, in seinen Oelbildern vor allem von der Welt der Psalmen und von jüdischer Spiritualität erfüllt und in seinen Gouachen am stärksten visionär; quallige Monstren, die etwas an den Golem und die Atmosphäre der Prager Altstadt erinnern, beherrschen ihn. So bedingt bei Chaimowicz jede Technik ihre eigenen Themen und ihren eigenen Stil.

Chaimowicz unterliegt nicht dem Blickdiktat seiner Zeit und fürchtet keine Tabus; er hat vor allem keine Angst davor, Epigone zu sein, eine Angst, die heute viele lähmt und sie lieber Unsinn treiben als eine Tradition fortsetzen läßt.

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