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An den Quellen
Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“, 1787, Faksimiledruck. Herausgegeben von Manfred Görke. BärenreiterverUg, Kassel und Basel. — Johann Sebastian Bach: „Entwurf einer wehlbestallten Kirchenmusik“ vom 23. August 1730, Faksimiledruck. Herausgegeben vom Bach-Archiv Leipzig (Werner Neumann)
Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“, 1787, Faksimiledruck. Herausgegeben von Manfred Görke. BärenreiterverUg, Kassel und Basel. — Johann Sebastian Bach: „Entwurf einer wehlbestallten Kirchenmusik“ vom 23. August 1730, Faksimiledruck. Herausgegeben vom Bach-Archiv Leipzig (Werner Neumann)
Musikwissenschaftlich leben wir in einer Zeit der allgemeinen Quellenaufschließung. „Quellen“, das heißt aber nicht nur Greifbarmachung des Schaffens in Gesamtausgaben, Veröffentlichung von theoretischen Werken und anderen Dokumenten; zu den Quellen gehören auch, und nicht zuletzt, Faksimileausgaben. Was gibt die Handschrift nicht alles preis in der Unmittelbarkeit der ersten oder endgültigen Niederschrift einer Komposition, einer Abhandlung? Wesen des schöpferischen Prozesses und des Werkes, Wesen der Künstlerpersönlichkeit schließt sich auf; und über alle ästhetisch-sammlerische Liebhaber-
angelegenheit hinaus vertieft sich hier die reine Quelle sachlich-authentischer Werkbestätigung zur rein „menschlichen“ Quelle, auf die ja alle Geisteswissenschaft letztlich zurückgehen muß.
Als Vorgabe für das kommende Mozart-Jahr legt M. Görke in ganz reizender Aufmachung des Verlages Mozarts „Kleine Nachtmusik“ in dem von ihm glücklich wiederaufgefundenen Original (jetzt im Besitz des Bärenreiterverlages) vor. Dieses war mit einem Teil Mozartscher Handschriften aus Andres Sammlung in Offenbach, die nicht das Glück hatten, von einer staatlichen Sammlung aufgekauft zu werden, in private Hände übergegangen. Ein wahrlich bewegendes Dokument in der Faksimilevorlage, die ganz (auch im Papier) dem Zustand des
Originals angepaßt ist; und man versteht die romantisch klingenden und doch aufrichtigen Töne, die Görke mit kurzen historischen Angaben zum „Lobe des Faksimiles“ den Partiturseiten folgen läßt.
Nicht minder lebendig ist das Faksimile von Bachs an den Leipziger Rat gerichteten Denkschrift: „Kurtzer, jedoch h ö c h s t n ö t h i g e r Ent-wurff einer wohlbestallten Kirchen Music; nebst einigen unvorgreif-lichen Bedencken von dem Verfall derselben.“ Von unschätzbarem Werte für die Kenntnis der Bachschen Aufführungspraxis enthüllt
dieses Dokument wahrhaft lamentable Zustände an der Leipziger Kapelle: 17 zu gebrauchende, 20 noch nicht zu gebrauchende und 17 untüchtige Musiker: das ist die Bilanz! Bach, der damals in heftigstem Kampfe mit seiner „wunderlichen und der Musik wenig ergebenen Obrigkeit“ stand, geißelt schonungslos alle Mißstände. Auch dieses Faksimilewerk eines der bedeutendsten Bach-Dokumente in Wort und Schrift ist wahrhaft erregend und bewegend und schließt in seinem Bild nicht minder wie mit seinem Inhalt eine ganze Welt auf, eine Welt, die uns ebenso menschlich angeht, wie sie einen besonderen wissenschaftlichen Wert repräsentiert.
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