6779007-1969_34_11.jpg
Digital In Arbeit

Mini-Festival am Rand

Werbung
Werbung
Werbung

Die „24. Nymphenburger Sommerspiele“ haben den Münchner Kunstsommer 1969 um einen wesentlichen Akzent bereichert. Die Veranstalter, die „Freunde der Residenz“, überraschten durch eine Auswahl besonders stimmungsvoller Werke und durch Raritäten und Kostbarkeiten. So kam beispielsweise die Suite musikalischer Porträts „Burratini“ (die Puppen) von Enrico Mainardi zur Uraufführung, das Maniera-Nuova-Ensemble brachte Werke von Gabrieli, Gesualdo und Monte-verdi zu Gehör, das Melos-Quartett setzte Malipieros Streichquartett Nr. 3 „Cantari alla madrigalesa“ auf sein Programm, und das Rheinische Kammerorchester erfreute mit Benjamin Brittens „Serenade für Tenor, Horn und Streicher“ op. 31. Freilich sollte man den „Nymphenburger Sommerspielen“ keine Aufgabe unterschieben, die sie sich von Grund auf niemals gestellt haben.

Ausführende und Besucher bilden eine Einheit in dem Wunsch, einmal den Alltag auszuklammern und der Phantasie und Schönheit zu huldigen, einer Schönheit, die ihre Substanz aus dem Dreiklang von Musik, Natur und Architektur bezieht. Abschluß und Höhepunkt dieser Sommerspiele im Steinernen Saal des Nymphenburger Schlosses bildete die Begegnung mit einem der wesentlichsten oratoriseben Werke Dietrich Buxtehudes: Die „Lübecker Abendmusiken“, die zu einem musikhistorischen Begriff geworden sind und die Buxtehude selbst ein „sonst nirgends wo gebräuliches Werk“ nannte, wurden durch das Oratorium „Das Jüngste Gericht“ in ihren Dimensionen gesprengt. Buxtehunde — 1637 in Oldsloe, im südlichen Holstein, geboren, 1707 hochgeehrt gestorben und in der Lübecker Gruft von St. Marien heigesetzt — war, ne-

ben Schütz, der eigentliche Vorgänger und Wegbereiter der Bachschen Passionen.

Die Münchner Aufführung ist in erster Linie ein Verdienst des Dirigenten Fritz Rieger. In dem Münchner Motettenchor St. Matthäus, einem Kammerensemble der Münchner Philharmoniker, Rudolf Zöeley an der Orgel sowie vortrefflichen Vokalsolisten, hatte Rieger einen Klangkörper geschaffen, der seinen Intentionen voll und ganz entsprach. Wäre nicht das süddeutsche Rokoko des Steinernen Saales gewesen, man hätte glauben können, eine der genannten „Lübecker Abendmusiken“ selbst miterleben zu dürfen, so stilecht, so wenig akademisch, so lebendig wurde musiziert Fritz Rieger — selbst am Cembalo — dirigierte mit viel Verve. Ein echtes Festspiel am Rande der Festspiele!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung